Wien: Noch bis 12. Juni "Himmelsleiter" am Stephansdom

"Wenn ich sehe, wie Kinder auf die Himmelsleiter am Stephansdom zeigen, könnte ich vor Freude weinen. Was gibt es bitte Schöneres für eine Künstlerin." Beeindruckt von den Reaktionen auf ihre neongelb leuchtende Leiter am 136 Meter hohen Südturm zeigte sich Künstlerin Billi Thanner im Porträt des Magazins "Woman" (aktuelle Ausgabe). Noch bis 12. Juni kann die von Dompfarrer Toni initiierte erste Außeninstallation am Wiener Stephansdom bestaunt werden. In der "Langen Nacht der Kirchen" am 10. Juni findet die Abschlussperformance "33 Tugenden" statt. Im September soll das Kunstwerk auf dem Turm der Lamberti-Kirche in Münster erstrahlen. Fans haben eine Petition ins Leben gerufen, damit das Symbol der Hoffnung dem Stephansdom über den Sommer erhalten bleibt.

Die seit Ostern 2021 angebrachte Installation auf dem Wiener Wahrzeichen gab der Karriere der 49-jährigen Billi Thanner einen merkbaren Impuls, wie sie berichtete. Eine große Ausstellung und mehrere Gruppenprojekte seien in Planung. Aber, "auch wenn die Leiter noch so hoch hängt, weiß ich heute, wie wichtig es ist, am Boden zu bleiben", gab sich die in Wien lebende bildende Künstlerin mit deutschen und kroatischen Wurzeln bescheiden.

Dompfarrer Toni Faber hatte Thanner beauftragt. Mit dem Konzeptentwurf für ihre "Himmelsleiter" überzeugte sie das zwölfköpfige Domkapitel und die Unternehmerin Ursula Simacek als Sponsorin. Thanner über ihren Auftraggeber: "Der Herr Dompfarrer liebt Kunst! Wir lernten uns schon im August 2020 kennen, er ist ein sehr herzlicher Mensch. Faber nimmt uns Künstler genau so, wie wir sind." Die "Himmelsleiter" reiht sich in mehrere Projekte ein, die den Stephansdom bereits in einen Hotspot für zeitgenössische Kunst verwandelten.

Lichtblick in düsteren Zeiten

Die 33 Sprossen sollen für ebenso viele Tugenden stehen, wie Glaube, Liebe, Achtsamkeit oder Dankbarkeit. Das ganze Projekt ist als Symbol der Hoffnung in Zeiten der Krise gedacht. "Ich bin noch immer voller Demut, wenn ich beobachte, wie Menschen mein Kunstwerk bewundern und fotografieren", erzählte Thanner. Ihr Atelier hat sie im 5. Wiener Bezirk, dort arbeitet sie jeden Tag von sechs am Morgen bis in die Abendstunden hinein. Als Mädchen habe sie sich gewundert, dass manche Gemälde und Kunstwerke so düster sind, verriet Thanner. "Ich fragte mich immer: Was sollen denn die Menschen denken, die das vielleicht 200 Jahre später sehen? Glauben die dadurch etwa, dass bei uns alles so finster und traurig war?"

"Himmelsleiter" zeigt Auf und Ab im Leben

Sie verbindet mit ihrer künstlerischen "Himmelsleiter" auch das Auf und Ab in ihrem Leben: "Wir müssen die Tugenden nicht nur verstehen, sondern auch gelebt haben, damit wir weiterkommen", betonte Thanner. Seit den frühen 1990er-Jahren arbeitet sie als Konzeptkünstlerin und Malerin, Geldknappheit war vor allem in den ersten zehn Jahren ein Thema. "Heute bin ich froh, dass ich diese Zeit bewältigen musste. So kann ich gut nachempfinden, wie es jungen Künstlern geht, und sie daher auch besser unterstützen", meinte sie.

Thanner studierte in Zagreb Kunst und arbeitete als Computerprogrammiererin, bis sie mit 27 Jahren als Malerin und interdisziplinäre Konzeptkünstlerin durchstartete. "Jeder Künstler hat seine Sprache. Ich begann, in der Kunst das Schöne zu suchen. Und ich möchte das in meiner Arbeit betonen und der Welt etwas Schönes hinterlassen", erzählte die Künstlerin. Heute ist sie international renommiert, ihre Werke waren u.a. in Shanghai, Peking und Moskau zu sehen. Inhaltlich geht es der Protagonistin des zeitgenössischen Aktionismus meist um Themen wie Gleichberechtigung, Frauenbilder und Weiblichkeit: "Jede starke Frau ist ein Vorbild für mich." (Infos: www.langenachtderkirchen.at)

Quelle: kathpress