Expertin: Armenisches Kulturgut von Artsach ist "Weltkulturerbe"
Das armenische Kulturgut in Artsach ist weit mehr als nur das Kulturgut eines kleinen Volkes im Südkaukasus, "es ist Kulturgut der gesamten Menschheit". Das hat die Salzburger Armenien-Expertin Prof. Jasmin Dum-Tragut betont. Gegenüber Kathpress zog sie ein Resümee zur jüngsten Wiener Artsach-Tagung, bei der einmal mehr deutlich geworden sei, dass dieses "Weltkulturerbe" vor "willentlicher physischer und ideologischer Zerstörung, Vandalismus und Verfälschung von Seiten Aserbaidschans" unbedingt zu bewahren sei. Und dies sei beileibe nicht nur die Aufgabe Armeniens. "Armenien darf in dieser schwierigen Aufgabe nicht allein gelassen werden", mahnte Dum-Tragut.
Am 13. und 14. Mai fand in Wien die internationale Konferenz "Kultur in Konflikt: Der Südkaukasus heute" statt, bei der Wissenschaftler, Kulturgüterschutz-Experten und Vertreter der Armenisch-apostolischen Kirche, der armenischen Botschaft in Wien und der OSZE-Mission der Republik Armenien zu Wort kamen. Eröffnet wurde die Konferenz mit einem Grußwort von Katholikos Karekin II., dem Oberhaupt der Armenisch-apostolischen Kirche, das von Bischof Tiran Petrosyan verlesen wurde.
In Armenien wie auch international werden die Sorgen immer größer, dass Aserbaidschan ernsthaft daran denkt, das christliche Erbe von Berg-Karabach (Artsach) nachhaltig zu zerstören. Ein großer Teil Berg-Karabachs ging im Herbst 2020 im Krieg an Aserbaidschan verloren. Viele bedeutende christliche Stätten wie die Kathedrale von Shushi oder das Kloster Dadivank stehen nicht mehr unter armenischer Kontrolle.
Bei der Tagung in Wien wurden das materielle Kulturgut, Baudenkmäler, museale Sammlungen, Handschriften sowie auch das spirituelle Erbe Artsachs vorgestellt. Prof. Dum-Tragut versuchte in ihren Ausführungen, den historisch-politischen Hintergrund des Konflikts zu erörtern und die Entwicklung eines Kulturkonflikts hin zu einem bewaffneten Konflikt zu analysieren. Weiters wurden anhand zahlreicher dokumentierter Fälle die Bedrohung des Kulturgutes aufgezeigt, wie Dum-Tragut gegenüber Kathpress berichtete.
Bereits vorhandene und angedachte Initiativen zum Schutz des Kulturgutes wie auch Möglichkeiten eines friedlichen Konfliktmanagements wurden ebenfalls diskutiert, wie Prof. Dum-Tragut berichtete. Zudem wurde auch auf Entscheidungen des Internationalen Gerichtshof der Vereinten Nationen verwiesen, wonach Aserbaidschan zum Schutz der Kulturgüter verpflichtet sei.
Mitorganisator der Tagung war die Organisation Blue Shield Österreich. Die Organisation setzt sich für die Bewahrung von bedrohten Kulturgütern ein. Deren Präsident Karl Habsburg kritisierte in seinen Ausführungen ebenfalls die Politik Aserbaidschans und erklärte, dass bereits die Bildung eines armenischen Nationalkomitees von Blue Shield im Gange sei. Davon erhoffe man sich mehr Möglichkeiten für einen effektiven Schutz der Kulturgüter. Zu der Tagung waren u.a. Erzbischof Vrtanes Abrahamyan von Artsach, der Erzbischof der armenischen Diözese USA West, Erzbischof Hovnan Derderian, sowie den Leiter des "Mother See of Holy Etchmiadzin Office for Artsakh cultural-religious heritage issues", Garegin Hambardzumyan angereist.
Ausstellung im Wiener Mechitaristenkloster
Im Rahmen der Tagung wurde im Wiener Mechitaristenkloster die Sonderausstellung "Von Karabach nach Wien. Das armenische Kulturerbe im Wiener Mechitharistenkloster" eröffnet. In der Ausstellung wird in vier Teilen das armenische Kulturerbe von Artsach präsentiert. Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit der Wiener Mechitharisten mit den Armenischen Studien der Universität Salzburg, mit Jasmine Dum-Tragut und Michael Gassner. Die Ausstellung ist noch längere Zeit zu sehen, ein Begleitheft ist vor Ort erhältlich.
Prof. Dum-Tragut hat auch eine weitere Artsach-Fotoausstellung gestaltet, die an der Theologischen Fakultät der Universität Salzburg zu sehen ist. Zudem hat sie gemeinsam mit weiteren Experten das Buch "Endangered Armenian cultural-religious heritage of Artsakh" verfasst. (Über Anfrage erhältlich unter: jasmine.dum-tragut@plus.ac.at).
Seit Anfang 2022 hat Dum-Tragut ein offizielles Amt am Heiligen Stuhl von Edschmiadzin inne: Sie wurde von Katholikos Karekin II. als wissenschaftliche Beraterin und Mitarbeiterin in das "Mother See of Holy Etchmiatzin's office for Artsakh Spiritual-Cultural Heritage Issues" aufgenommen. Dum-Tragut ist u.a. Leiterin des "Zentrums zur Erforschung des Christlichen Ostens" (ZECO) an der Universität Salzburg.
Quelle: kathpress