Passionsspiele Thiersee: Premiere war voller Erfolg
Tosender Applaus war am Sonntag der Lohn für die Neuinszenierung der traditionsreichen Thierseer Passionsspiele, die mit einer aktualisierten Textfassung, Neukompositionen und einem ebenfalls neu gestalteten Bühnenbild das Premierenpublikum begeisterte. Die 200 Laiendarstellerinnen und -darsteller auf der Bühne, davon 100 in Sprechrollen, reüssierten unter der Regie von Norbert Mladek in der ersten von 25 bis Anfang Oktober geplanten Aufführungen in der Tiroler Gemeinde nahe der bayerischen Grenze. Der Salzburger Erzbischof Franz Lackner, einer von rund 600 Premierengästen, äußerte beim vorangehenden Festgottesdienst Zuversicht, dass Passionsspiele wie jene am Thiersee "in einer religiös höchst bedürftigen Zeit Abhilfe schaffen" können.
Dafür sei es erforderlich, das menschlich-göttliche Ereignis nicht bloß "festgeschnürt" nur zu wiederholen, sondern zugleich dem Ursprünglichen die Treue zu halten und sich der neuen Zeit und Umgebung zu stellen. Die Thierseer Passionsspiele, deren Ursprünge im 17. Jahrhundert in einer Krisenzeit lägen, um damals der Hoffnung Raum zu geben, könnten genau dies auch heute wieder leisten, in schwierigen Zeiten von Krieg, Klimakatastrophe, Flüchtlingsströmen und Pandemie, wies der Erzbischof in seiner Predigt hin. Dem Zweifel sei dabei Raum zu geben - so wie Jesus am Schluss des Matthäusevangeliums die zweifelnden Jünger aussandte, um die Auferstehung zu bezeugen und das Evangelium zu verkünden. Laut Lackner ist das Zulassen des Zweifels geradezu "Ermöglichungsgrund des Glaubensaktes".
Passionsspiele wie in Thiersee stünden für die notwendige stete Erneuerung des Glaubens in Sprache und Darstellung. Das bleibende Unvermögen, eine letzte Klarheit zu schaffen, ebne den Weg zum Wagnis des Glaubens, so der Erzbischof. Er sei von Passionsspielen im Allgemeinen fasziniert, wie er sagte, und zeigte sich nach der Thierseer Premiere angetan von der Neufassung. Allen Mitwirkenden sprach Lackner seinen Dank aus.
Glaube verbunden mit Tradition und Kunst
Offiziell eröffnet hatte die Passionsspiele 2022 die Tiroler Landesrätin Annette Leja (ÖVP), die wie zahlreiche weitere Landes- und Kommunalpolitiker zur Premiere gekommen war: "Die Passion verbindet Glaube, Tradition und Kunst in einer wundervollen Form", sagte sie. Bürgermeister Rainer Fankhauser erinnerte an das feierliche Gelöbnis der Thierseer Bauern in harter Notzeit, regelmäßig Passionsspiele aufzuführen, das nach zwei Jahren Pandemie und einem Krieg vor der Haustür in ein neues Licht gerückt werde.
Nach fast 100 Jahren kam am Sonntag eine Neuinszenierung mit einer aktualisierten Textfassung des in Meran geborenen Schriftstellers Toni Bernhart zur Aufführung; der Autor habe es geschafft, "durch eine klare Sprache eine Anknüpfung an die Gegenwart zu finden", wie es in einer Zusammenfassung der Passionsspielleitung am Sonntagabend hieß. Der Komponist und Arrangeur Josef Pirchmoser sorgte für neue Akzente durch Musik, dargeboten von 36 Orchestermusikern und 48 Chorsängern. Der bekannte Regisseur Norbert Mladek konnte sich auf ein neues Bühnenbild stützen, das in 1.500 Stunden Arbeitszeit angefertigt wurde. Große Bögen spannen sich dabei über die Bühne; durch den wohlüberlegten Einsatz von Licht- und Bühnentechnik entsteht so ein wandlungsfähiger Raum. "Entstanden ist eine Passion der Emotionen, nicht der Attraktionen", so das Fazit.
Mit leuchtenden Augen auf der Bühne
Trotz vieler Veränderungen bleibe eines auch bei der Neuinszenierung gleich: "Die Begeisterung der Passionspieler:innen, die mit leuchtenden Augen auf der Bühne stehen." Allen voran Jesus-Darsteller Michael Juffinger, zugleich der Obmann des Thierseer Passionsspielvereins. Seine Bühnenrolle teilt er sich mit seinem Cousin Christian Juffinger und dem erst 13-jährigen Leo Lamprecht; alle drei verkörpern Christus in verschiedenen Lebensphasen. Wie es die Tradition so will, prägen in Thiersee wallende Haare das Bild: Seit Probenbeginn wurde das Haupthaar der Mimen nicht geschnitten.
Die Leidensgeschichte Christi wird in Thiersee als Erfolgsgeschichte erzählt. Sie endet nicht mit dem Tod, sondern mit der Auferstehung. Die Kreuzigung steht folgerichtig nicht am Ende des Stückes, sondern markiert nur das Ende des ersten Teiles. Schlussendlich gehe es dem Regisseur um die Frage, was die Passion uns heute zu sagen hat. Die Thierseer erzählen vom Miteinander der Menschen, vom gegenseitigen Vertrauen und von einer Zuversicht für die Zukunft, wie es in der Aussendung nach der Premiere hieß. Das Stück könne "als eine Solidaritätsbekundung mit allen Opfern von Hass, Gewalt und Ausgrenzung gelesen werden".
Die Liebe zur Passion werde den Thierseern von Generation zu Generation weitergegeben", erzählte Michael Juffinger. Die Beteiligten nehmen sich - neben Beruf und Familie - unzählige Stunden Zeit für die Proben. Und für die bis in den Herbst reichenden Aufführungen: Bis 2. Oktober 2022 kommt die Passion regelmäßig am Freitag, Samstag und Sonntag zur Aufführung. (Termine und Tickets: www.passionsspiele-thiersee.at)
Quelle: kathpress