Schipka: "Wo Worte fehlen, da kann es auch kein Recht geben"
"Wo Worte fehlen, da kann es auch kein Recht geben. Wo Recht fehlt, da macht sich Rechtlosigkeit breit". Darauf hat der Generalsekretär der Österreichischen Bischofskonferenz, Peter Schipka, in seiner Predigt bei der "Juristenmesse" am Donnerstagabend in der Wiener Franziskanerkirche hingewiesen. Nicht zuletzt aufgrund der Missachtung des Rechts sei der Überfall Russlands auf die Ukraine so dramatisch und folgenschwer. "Wo das Recht gebrochen wird, da sterben Menschen", so Schipka vor den anwesenden Juristen, man müsse daher auf Friedensverhandlungen und einen Friedensvertrag hoffen.
Zum Fest der Heiligen Thomas Morus und John Fischer, Patrone der Juristen, predigte der studierte Jurist Schipka über die Wichtigkeit der Worte. "Wer, wenn nicht Juristen, wissen: Worte können die Wirklichkeit verändern", so der Generalsekretär. "Gesetze bestehen aus Worten. Sie regeln unser Zusammenleben", Recht sei ohne Wirksamkeit von Worten nicht denkbar."Worte schaffen Wirklichkeit und sie verändern die Wirklichkeit. Das gilt nicht nur für gesprochene Worte oder auf Papier geschriebene, sondern auch für elektronische über SMS oder andere soziale Netzwerke - wie uns in den vergangenen Monaten nur allzu anschaulich vor Augen geführt worden ist."
Dass die Veröffentlichung von Ermittlungsakten die Unschuldsvermutung beeinträchtige, habe Kardinal Schönborn erst kürzlich festgestellt, erinnerte Schipka. Der Schutz der Privatsphäre sei offenbar so wenig wert, dass niemand danach frage, wie man zu den veröffentlichten Nachrichten gekommen sei, "ob man sie legal oder widerrechtlich erlangt hat, halte ich für bedenklich", so Schipka.
Recht solle auch die Privatsphäre schützen, was wiederum nicht bedeute, "dass diese Privatsphäre rechtlich unter allen Umständen sakrosankt ist". Aber es bedeute, dass das Recht sich nicht immer mit der Veröffentlichung durchsetzte, sondern manchmal die Vertraulichkeit dem Recht mehr gerecht werde als die Veröffentlichung, zeigte sich Schipka überzeugt.
Das Strafrecht diene dem Schutz der Menschen, das gelte für die Strafbarkeit des Diebstahls ebenso wie für die Strafbarkeit Tötung von Menschen. Daher sei es bedauerlich, "dass der Anwendungsbereich des rechtlichen Schutzes vor Tötung verringert worden ist, seit es erlaubt ist, einen Beitrag zum Suizid zu begehen", kritisierte Schipka. Es sei mittlerweile erlaubt, einen Menschen, der sich in einer verzweifelten Situation befinde, zum Suizid zu ermutigen und zu bestärken. "Hier verlieren Worte in ihrer tödlichen Wirkung plötzlich ihre Bedeutung", weil sie rechtlich bedeutungslos gemacht würden. "Für mich ist die Erlaubtheit des assistierten Suizids gleichbedeutend mit der Verweigerung des Schutzes von Menschen in dramatischen Lebenssituationen", stellte der Bischofskonferenz-Generalsekretär klar. Schützende Worte des Rechts würden verweigert, die Rechtlosigkeit vulnerabler Personen gefördert.
Christen verwendeten Recht, um der Gerechtigkeit Gottes zum Durchbruch zu verhelfen, stellte Schipka fest, "und diese Gerechtigkeit schützt die Rechtlosen, diejenigen, die sich sonst keine Stimme verschaffen könnten". Christen, die juristisch tätig sind, seien deswegen gefordert, die Schwachen nicht aus dem Blick zu verlieren.
Quelle: kathpress