Weltpräsident der Uiguren: Papst soll Genozid benennen
Um China dazu zu bewegen, den "Genozid" an der Volksgruppe der muslimischen Uiguren in der chinesischen Provinz Xinjiang (Ostturkestan) zu beenden, sollten neben den nationalen Regierungen auch die religiösen Führer und allen voran Papst Franziskus lautstark die Stimme erheben: Das hat der Präsident des Weltkongresses der Uiguren, Dolkun Isa, am Donnerstagabend bei einem Vortrag in Wien gefordert. "Der Papst hat eine gewichtige Stimme, wenn es um Religionsfreiheit geht. Wir bitten ihn, dass er die Verfolgungen gegen unser Volk als Völkermord bezeichnet und China mit Nachdruck zu dessen Beendigung auffordert", sagte der aus China stammende, im deutschen Exil lebende Uiguren-Spitzenvertreter. Schriftliche Anfragen an den Papst seien bisher unerhört geblieben.
Dabei hatte sich Papst Franziskus bereits einmal zu der turksprachigen Minderheit im Nordwesten Chinas geäußert: Ende 2020 im Buch "Wage zu träumen", in dem er von "armen Uiguren" spricht und diese in einer Reihe mit Rohingya und Jesiden als "verfolgte Völker" bezeichnet. Umgehend hatte er damit scharfe Kritik Chinas auf sich gezogen - vor dem Hintergrund eines diplomatischen Abkommens zwischen dem Vatikan und Peking. Es sei falsch, dass auch der Papst zum Schweigen gebracht werde, urteilte Uiguren-Präsident Isa. Die Hände seien dem Papst wohl auch deshalb gebunden, weil das Christentum in China ebenfalls unter starker Verfolgung leide: "Chinas Gefängnisse sind voll von Christen und Angehörigen anderer religiöser Minderheiten."
Enttäuscht äußerte sich Isa jedoch auch über die internationalen muslimischen Spitzenvertreter, deren Protest gegen Chinas Uiguren-Verfolgung teils noch verhaltener ausfalle oder gar nicht existiere, obwohl die Kommunistische Partei Chinas den Islam direkt attackiere und als zu beseitigende "Geisteskrankheit" einstufe, bemerkte der Menschenrechtler. Als Hauptproblem dahinter sehe er in den meisten islamischen Ländern die Korruption, die wirtschaftliche Abhängigkeit von China sowie eigene Verstöße gegen die Religionsfreiheit und andere Menschenrechte. "Es ist eine Schande, dass die Organisation für Islamische Zusammenarbeit Chinas Politik immer unterstützt. Der Grund ist, dass Pakistan, Saudi-Arabien und der Iran ebenfalls autoritäre Regimes sind", so Isa.
Der Präsident äußerte sich im Rahmen eines von ÖVP-Menschenrechtssprecherin Gudrun Kugler veranstalteten Gesprächsabends, bei dem auch die Ärztin Sayragul Sauytbay von ihren Erlebnissen in Straflagern Chinas und chinesischen Überwachungsmethoden berichtete. Schon seit 2006 betreibe China die komplette Zurückdrängung der Sprache, Kultur und Religion seiner Minderheiten, massenhafte willkürliche Verhaftungen infolge fingierter Verleumdungen und Anwendung von Folter bei Verhören, erklärte die 45-jährige Friedensaktivistin, die selbst der kasachischen Volksgruppe angehört. 2017 habe sie bei ihrer mehrmonatigen Zwangsarbeit in einem jener "Todeslager", in denen in den jüngsten Jahren laut Schätzungen hunderttausende Uiguren interniert wurden, mit eigenen Augen die im großen Stil und systematische betriebene psychische und physische Folter, Zwangssterilisation und Vergewaltigung von Häftlingen miterlebt.
Nachdem Sauytbay 2018 die Flucht aus China gelang, lebt sie heute im Exil in Schweden und hat mit der deutschen Journalistin Alexandra Cavelius die Bücher "Die Kronzeugin" und "China-Protokolle" veröffentlicht. Als prominente Stimmen gegen die Verfolgung der muslimischen Turkvölker, zu denen neben den Uiguren auch Kasachen, Usbeken und Kirgisen zählen, erhält sie wie auch ihre Familie ständig Morddrohungen. Sie ist Trägerin zahlreicher Menschenrechtspreise und wurde von Kugler für den Friedensnobelpreis 2022 vorgeschlagen. Es gehe darum, "hinzusehen und öffentlich zu machen, was in China an Unrecht geschieht. Die Beweise sind erdrückend, und wir dürfen uns nicht in Geiselhaft nehmen lassen", forderte die ÖVP-Menschenrechtssprecherin, die zudem auf eine Verurteilung des "Völkermordes" Chinas an den Uiguren im Nationalrat drängt.
Am Donnerstag machten in Österreich lebende uigurische Aktivisten auch am Wiener Stephansplatz auf die Verfolgung ihrer Volksgruppe durch China aufmerksam. "Stoppt den Völkermord an den Uiguren", war auf Transparenten zu lesen. Aufgestellt waren zudem Bilder von verschwundenen Angehörigen der Minderheit sowie aus den Straflagern, die aus geleakten Daten der Polizei der chinesischen Uiguren-Provinz Xinjiang stammen.
Quelle: kathpress