Anderssprachige Gemeinden in "Brückenrolle" für Österreichs Kirche
Eine wichtige Brückenfunktion zwischen den Kulturen in Österreich liefern nach den Worten des Theologen Prof. Johann Pock die anderssprachigen Gemeinden: Sie böten Gläubigen mit Migrationshintergrund die Möglichkeit, "sich unter Bewahrung ihrer geistlichen und kulturellen Wurzeln in einem neuen gesellschaftlichen und kirchlichen Umfeld zu entfalten", würdigte der Vorstand des Instituts für Praktische Theologie an der Universität Wien die katholischen "Migrantengemeinden". Rahmen und Anlass bildete die zweitägige Jahresvollversammlung der katholischen anderssprachigen Seelsorger, die am Montag und Dienstag im St. Pöltner Bildungshaus St. Hippolyt stattgefunden hat.
Die anderssprachige Seelsorge sei in der Theologie "nach wie vor unterbelichtet", so intensiv sich seine Disziplin inzwischen auch mit dem Thema Migration beschäftige, gestand Pock. Unterschätzen dürfe man ihre Funktion jedoch nicht: Gerade sie "spiegeln die Pluralität der Gesellschaft wider". Immer wieder seien die Gemeinden mit Vorwürfen konfrontiert, wie etwa einer Integrationsverweigerung oder einer äußerlichen Traditionspflege. Fest stehe jedoch, dass sie für Menschen aus anderen Ländern einen "bedeutenden diakonalen Dienst" leisteten durch die seelsorgliche Begleitung.
Als Thema des Treffens hatte die Nationaldirektion für die anderssprachige Seelsorge "Gemeinsam unterwegs: Anderssprachige Seelsorge im Spannungsfeld von Identität, Integration und Mission" gewählt. Zu den Teilnehmern gehörten neben Nationaldirektor Alexander Kraljic, dem zuständigen Referatsbischof Franz Scharl und dem Generalvikar der katholischen Ostkirchen, Yuriy Kolasa, auch die Diözesanreferenten für anderssprachige Seelsorge der einzelnen Diözesen sowie die verschiedenen Seelsorger der anderssprachigen Gemeinden in Österreich. Auch eine Messfeier mit St. Pöltens Bischof Alois Schwarz war Teil des Programms.
Der Frage nach dem Beitrag ihrer Gemeinden für die Zukunft der Kirche in Österreich gingen die anderssprachigen Seelsorger auch vor dem Hintergrund des gerade laufenden synodalen Prozesses nach. Diskutiert wurde in Podiumsgesprächen unter anderem die Beziehung zu den jeweiligen deutschsprachigen Ortspfarren, deren Priester oft als Pfarrer und zugleich Seelsorger der anderssprachigen Gemeinde wirken - was Herausforderungen wie auch Chancen für das Zusammenleben mit sich bringe. Die Verwendung der Muttersprache im Gottesdienst wurde dabei als "Menschenrecht, in dem sich die Katholizität der Kirche spiegelt" bezeichnet.
Bei einem weiteren Podium kamen junge Erwachsene aus der kroatischen, philippinischen und syro-malabarischen Gemeinde zu Wort und berichteten über ihre Erfahrung, in zwei Welten - der österreichischen und der ihrer Herkunftskultur - aufgewachsen zu sein. Der Tenor dabei: Ein gutes religiöses Fundament, vermittelt von den Eltern und besonders den Katechesen in ihrer Gemeinde, habe ihnen geholfen, in der österreichischen Gesellschaft ihren Platz zu finden und sich mit ihrer christlichen Überzeugung in den gesellschaftlichen und kirchlichen Diskurs einzubringen.
Ein wichtiges Kristallisationsmoment ist nach dem Zeugnis von Seelsorgern und Gemeindemitgliedern gerade auch die gemeinsame Feier des "Sonntags der Völker" in den Diözesen, bei der der Reichtum und die Vielfalt der verschiedenen Traditionen und Riten sichtbar wird und katholische Kirche als Weltkirche unmittelbar erlebt werden kann. Heuer fand der kirchliche Aktionstag zeitgleich mit dem kirchlichen "Welttag der Migranten und Flüchtlinge" am 29. September statt und trug das Motto "Trennendes überbrücken". In vielen Domkirchen fanden dabei von Gläubigen verschiedenster anderssprachiger katholischen Gemeinden gestaltete Gottesdienste statt. Der nächste "Sonntag der Völker" ist bereits für den 24. September 2023 terminisiert.
Rund eine halbe Million Katholiken in Österreich haben Migrationshintergrund, wobei zwei Drittel davon in Wien und Umgebung leben. Die meisten der praktizierenden Gläubigen sind in den deutschsprachigen Ortspfarren integriert, viele Migranten aus den ersten Generationen jedoch auch in den anderssprachigen Gemeinden. Aktuell wird dort in derzeit rund 30 Muttersprachen der Gottesdienst gefeiert, wobei meist Räumlichkeiten deutschsprachiger Pfarrgemeinden mitgenutzt werden. Als Dachorganisation fungiert seit mehr als 40 Jahren die Nationaldirektion der anderssprachigen Seelsorge.
Quelle: kathpress