
Internationales Symposium über Priesterpolitiker Ignaz Seipel
Eine in der Kontroverse stehende Politikerpersönlichkeit der österreichischen Zwischenkriegszeit steht im Fokus eines Internationalen Symposiums am 4. und 5. November in Graz: Prälat Ignaz Seipel (1876-1932), katholischer Priester und christlichsozialer Bundeskanzler der Ersten Republik von 1922 bis 1924 sowie von 1926 bis 1929. Die vom Institut für Kirchengeschichte und Kirchliche Zeitgeschichte an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Graz organisierte interdisziplinäre Tagung im Universitätszentrum Theologie beleuchtet Österreichs bekanntesten Priesterpolitiker des 20. Jahrhunderts "im Spannungsfeld von Kirche, Partei und Politik", wie es im Titel der Veranstaltung heißt.
Anlass gibt einerseits der diesjährige 90. Todestag Seipels, aber auch die geplante Finalisierung der wissenschaftlichen Edition seiner Tagebücher der Jahre 1916 bis 1932 durch das Grazer Kirchengeschichte-Institut. Die Seipel-Tagebücher stellten "als Ego-Dokumente eine nicht zu unterschätzende Quelle dar, auf deren Basis sich politische, kirchliche und gesellschaftliche Netzwerke erschließen und Rückschlüsse auf seine Person ziehen lassen", heißt es im Programm der von den Kirchenhistorikern Prof. Michaela Sohn-Kronthaler und Markus Zimmermann konzipierten Tagung. Nachdem die Publikation der letzten Monografie zu Seipel bereits mehr als vier Jahrzehnte zurückliege, erfolge nun die Auseinandersetzung mit seiner Person im Licht neuer Forschungen und aktueller Fragestellungen.
Die Tagung widmet sich "politischen Katholizismen" in Europa ebenso wie Seipels Werdegang und politischer Tätigkeit, seinem Einfluss auf die Christlichsoziale Partei und die Auseinandersetzung mit den Sozialdemokraten sowie seinen Beziehungen zum Heiligen Stuhl. Behandelt wird ferner auch die Frage, ob und inwieweit Seipel ein Wegbereiter für die auch als Austrofaschismus bezeichnete Epoche des Ständestaats war, wie er auf Karikaturen und Plakaten teils als "Zerrbild" dargestellt wurde - und wie die ÖVP nach 1945 mit der Erinnerung an Seipel umging.
Die Vortragenden aus unterschiedlichsten historischen Fachdisziplinen stammen aus Deutschland, Österreich, Tschechien, Frankreich und der Schweiz. Das Symposium findet in memoriam des im Jänner 2022 verstorbenen, renommierten österreichischen Kirchenhistorikers Prof. Maximilian Liebmann (1934-2022) statt. (Infos und Anmeldung bis 31. Oktober unter https://kirchengeschichte.uni-graz.at/de)
Quelle: kathpress