Theologe: Kirche braucht wieder mehr "Gotteskompetenz"
Mehr "Gotteskompetenz" und mehr "Gespräche über Gott", ohne deshalb das soziale Engagement zu reduzieren, wünscht der Grazer Theologe Bernhard Körner von der katholischen Kirche. Oft werde "über tausend Dinge geredet, aber nicht direkt über Gott", bedauerte der Dogmatiker und Buchautor im Interview mit der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag" (aktuelle Ausgabe) die auch in der Kirche überhandnehmende "Gott-Vergessenheit". Über Gott reden müsse man "einfach deswegen, weil es ihn gibt". Dabei gelte es, als "Zeugen" zu sprechen statt bloß als "theologische Moderatoren, die halt gelernt haben, wie das Sprachspiel mit Gott in der christlichen Tradition geht".
Im Vokabular der Kirche sei Gott zu einer "Selbstverständlichkeit" geworden, weshalb über ihn oft leichtfertig gesprochen werde, so die Beobachtung des Theologen. "Wenn die Kirche sich karitativ betätigt, trifft sie einen Nerv und das kommt, in der Regel jedenfalls, gut an. Wenn die Kirche aber über Gott spricht, hat schon die Kirche selber den Verdacht, dass die Leute sagen: Ach, über Gott, das wissen wir ohnedies schon." Das treffe jedoch nicht zu. Die "Gleichgültigkeit den letzten Dingen gegenüber" gelte es zu überwinden und Bereitschaft dafür zu entwickeln, sich den letzten Fragen auszusetzen, zumal das Wort "Gott" erst in Zusammenhang mit diesen Sinn bekomme.
Nötig ist in den Augen des seit 2017 emeritierten Dogmatikprofessors ein Bemühen darum, Gott "in einem Leben oft und oft und in einer Generation oft und oft in immer neuen Anläufen" zu Wort zu bringen. Dabei gelte es allerdings zu berücksichtigen, dass zwar viele Menschen weiterhin mit der traditionellen Redeweise über Gott zurechtkämen, andere jedoch nicht mehr, "weil sie immer noch im Hintergrund ein Gottesbild haben, das sie eben nicht mehr teilen können - eine Art Über-Person jenseits der Wolken". Tatsächlich sei Gott jedoch "eine Wirklichkeit, die uns in Anspruch nimmt".
Konsumperspektive überwinden
Als besondere Herausforderung bei dieser Aufgabe machte Körner eine gegenwärtige "universelle Konsumperspektive" aus: Der Mensch im Mittelpunkt hole sich "die Dinge, von denen wir glauben, dass sie unser Leben reicher, schöner und lebenswerter machen", darunter auch die Spiritualität. Positiv vermerkte der Experte dabei, dass es sehr wohl ein Gespür dafür gebe, "dass unsere technisch und ökonomisch durchgeplante Wirklichkeit nicht alles sein kann". Zugleich sei Spiritualität jedoch "nicht etwas, was man sozusagen nehmen oder lassen kann. Auch Gott ist nicht jemand, den man nehmen oder lassen kann."
Als denkbare Vorbilder für mehr "Gotteskompetenz" bei gleichzeitigem Hochhalten des sozialen Engagements nannte Körner etliche Heilige des 20. Jahrhunderts wie Mutter Teresa, "die in der Früh, bevor sie ihren Dienst an den Ärmsten der Armen begonnen hat, mit ihren Schwestern in der Anbetung gewesen ist und Eucharistie gefeiert hat". Auch von Papst Franziskus heiße es, er sitze in der Früh ein, zwei Stunden vor dem Gottesdienst in der Betrachtung in der Kapelle und beginne den Tag im Gebet. Die "Riesenaufgabe" des Glaubens an Gott bestehe darin, ihm Vertrauen zu schenken und sich ständig aufs Neue auf ihn einzulassen, aller möglichen Einwände zum Trotz, so der Theologe.
Spezifisch christlicher Zugang
Der christliche Zugang zu Gott unterscheide sich in wesentlichen Punkten etwa vom muslimischen, betonte der Grazer Experte. Sei Gott im Islam die "Allmacht, der man sich eigentlich nur unterwerfen kann" - wobei Körner hier das "Gespür für die Größe Gottes" würdigte -, machte er im Christentum als das "alles entscheidende Prädikat" die "allmächtige Liebe" aus. Körner: "Gott macht sich klein, um des Menschen willen. Gott wird ein Mensch unter Menschen." Gott teile in Jesus das Schicksal der Menschen, "um uns gewissermaßen abzuholen, heimzubringen zu Gott". Das Verständnis von Gott als die Liebe sei zugleich "kühn" wie auch "tröstend", so der Theologe.
Eingehend hat sich Körner im kürzlich erschienenen Buch "Gott ist der Rede wert. Warum es Sinn macht, über Gott nachzudenken" (Echter-Verlag, 176 Seiten, ISBN: 978-3-429-05726-8, EUR 17,40) mit dem Thema beschäftigt.
Quelle: kathpress