Philosoph: "Enhancementdebatten" zulassen und kritisch diskutieren
Die Humanität sei in unserem Jahrhundert in mehrfacher Hinsicht in der Krise, doch der Humanismus sei nicht machtlos, es gelte, "Enhancementdebatten" um die selbstbestimmte Weiterentwicklung des Menschen zuzulassen und kritisch zu diskutieren: Das betonte Vizerektor Univ.-Prof. Michael Fuchs vom Institut für Praktische Philosophie und Ethik an der Katholischen Privat-Universität (KU) Linz am Donnerstagabend in der Tabakfabrik Linz. Bedroht werde die Humanität durch Krieg, Missachtung von Menschenrechten, Zerstörung von menschlichen Umwelten, aber auch durch transhumanistische, posthumanistische oder kritisch posthumanistische Positionen, erklärte er zum Thema "Humanität in der Krise" im Rahmen der Reihe zum 350-Jahr-Jubiläum der KU und in Kooperation mit dem "Forum Humanismus Wilhering".
Bei der anschließenden Podiumsdiskussion mit Abt Reinhold Dessl OCist vom Stift Wilhering, Tabakfabrik-Linz-Direktor Chris Müller und OÖN-Moderator Michael Schäfl waren sich Saalpublikum und Podium nach einer Umfrage einig: Es ist gerade jetzt wichtig, trotz Krisen die Hoffnung und die Humanität nicht zu verlieren.
Im Interview mit Kathpress wies Prof. Fuchs darauf hin, dass es viele Schauplätze gibt, wo seit vielen Jahren darüber gesprochen wird, dass man mit medizinischen Technologien oder mit Technologien generell deutlich mehr machen könne, als Krankheiten zu therapieren und vorzubeugen. "Sie alle haben erstmal weniger Plausibilität als die Krankheitstherapie, sind aber nicht per se absurd oder falsch." Es gelte, Debatten zuzulassen und über neue Ansätze zu diskutieren. "Das heißt nicht, wir wollen den Menschen als Menschen abschaffen oder eine neue Spezies werden. Diese Ideen haben wenig Sorge vor den Schäden, die Technologien anrichten können." Aber sie seien im Diskurs immer mehr wahrzunehmen, weshalb man sich damit auseinandersetzen müsse. "Diese vielen Enhancementdebatten sind alle berechtigt und wichtig", unterstrich er. "Und sie sind nicht so einfach zu entscheiden. Darüber müssen wir uns Gedanken machen."
In seinem Vortrag führte er aus: "Anders als Heidegger und anders als die Posthumanistinnen und Posthumanisten denke ich, dass es Sinn macht, am schwierigen Begriff des Humanismus festzuhalten." Was als Ideal, was als Norm, was nur als Ratschlag zu verstehen sei, müsse dabei im Einzelnen diskutiert werden. Jedenfalls sei nicht nur die Vervollkommenbarkeit des Menschen, seine Begabung zur Menschlichkeit und Humanität, dabei zu thematisieren. Eine im Posthumanismus zu wenig debattierte Art von Anthropozentrik müsse dabei eine Rolle spielen. Vieles spreche dafür, den Kreis über die Menschen hinauszuziehen. Das heiße aber nicht, dass diese Frage nach den zu berücksichtigenden Wesen auch von anderen Wesen gestellt und beantwortet würde. "Dagegen gilt es, unsere Bedeutung als Moralsubjekte zu unterstreichen. Wenn wir diese Rolle herausstreichen, ist dies keinesfalls ein Ausdruck von Selbstgefälligkeit oder Arroganz. Der Mensch ist das Wesen, das nicht nur Schamgefühl hat, sondern das sich auch zu Recht schämt."
Risse im Lack
Fuchs beschrieb Humanität bei der Podiumsdiskussion als "Gegenmodell", mit dem "man versucht, Minimalstandards zu finden, damit man sich nicht die Köpfe einschlägt. Darunter bleibt die Gewalt bestehen". Zu den vielen Begriffen Ciceros der Humanität sagte er: "Ich würde versuchen, seine Begriffe ins Verhältnis zu setzen: Die Würde ist das Zentrale, das es zu bewahren gilt, darüber hinaus gibt es zum Beispiel Gastfreundschaft."
Für Chris Müller ist der "Riss im Lack" oft genau der Moment, wo Neues entsteht. "Wir reden immer über Werkzeug. Wir müssen festlegen, wie wir dieses Werkzeug einsetzen. Das können wir gerade bei Twitter mitverfolgen: für oder gegen die Menschen, für oder gegen Hassrede und Menschenrechte."
Abt Dessl gratulierte der KU Linz zum Jubiläum. Er zitierte Papst Franziskus: "Rr sagt, wir müssen Diener des Lebens sein." Letztlich brauche es immer auch "das Geschenk des Augenblicks, das Nicht-Machbare".
Bei der Frage, ob die Digitalisierung eine Seele hat, herrschte Einigkeit darüber, dass Individuen, Menschen eine Seele haben. Auch der Kongress des neu gegründeten "Forum Humanismus Wilhering" im September war Thema am Podium. "Fündig geworden sind wir insofern, dass die Gruppe zusammen gefunden hat", berichtete Abt Dessl. Zu Beginn der Expedition stand die Erfahrung, auf Räume zu hören sowie die Regel des Hl. Benedikt. Chris Müller ergänzte: "Die wichtigste Frage war, von welchem Menschenbild gehen wir aus? - Daran wollen wir weiter arbeiten. Ich habe das Gefühl, dass wir auch heute hier weiterarbeiten." Müller sprach zudem von "Orten der Hoffnung". Für Abt Dessl ist im Gespräch mit den Menschen "Offenheit für Transzendenz und für Gott wichtig". Der Fragilität und Zerbrechlichkeit könne man wie heute entkommen, indem man ins Gespräch kommt, sich bestärkt, dass es immer noch nach oben gibt.
Erste Privat-Universität mit staatlicher Akkreditierung
Die Katholische Privat-Universität Linz wurde im Jahr 2000 als erste österreichische Privatuniversität staatlich akkreditiert. Ihre Geschichte reicht indes weitaus länger zurück: Bereits 1672 gab es erste theologische Studien am Linzer Jesuiten-Kolleg. 1971 wurde die ehemalige Philosophisch-Theologische Lehranstalt Linz zur "Philosophisch-Theologischen Hochschule der Diözese Linz" ernannt und 1978 durch die vatikanische Bildungskongregation zunächst "ad experimentum", 1988 aber definitiv in den Rang einer Theologischen Fakultät erhoben. Als "Katholisch-Theologische Hochschule Linz/Theologische Fakultät" war sie damit berechtigt, akademische Grade zu verleihen.
Im Jahr 2000 folgte dann mit der staatlichen Akkreditierung die Umbenennung zur "Katholisch-Theologischen Privatuniversität Linz" und bis 2015 schließlich fachliche Erweiterungen und der Ausbau um Kunstwissenschaft und Philosophie als eigenständige Studienfächer. Im selben Jahr folgte die Gründung der Fakultät für Philosophie und für Kunstwissenschaft. 2022 steht das Jubiläum 350 Jahre Katholische Wissenschaften in Linz unter dem Motto "Vom Kolleg zur Universität". (Infos: www.ku-linz.at/350)
Quelle: kathpress