Stephansdom ohne Gerüst ist kein Ziel des Dombaumeisters
Der Wiener Stephansdom ohne Gerüst? Das ist nach den Worten von Dombaumeister Wolfgang Zehetner kein anzustrebendes Ziel für die seit Jahrhunderten bestehende Dombauhütte. Es sei "durchaus sinnvoll, an einem so komplizierten und großen Bauwerk kontinuierlich zu arbeiten", sagte der international renommierte Fachmann in einer soeben erschienenen Hochglanzbroschüre zum Jubiläum 35 Jahre Verein "Unser Stephansdom". Zehetner verwies auf Beispiele anderer Kathedralen, bei denen durch plötzlich bereitstehende Mittel die Restaurierung forciert worden und danach eine Pause entstand. In dieser "Stehzeit" gingen Fachleute, Infrastruktur und das nötige Know-how für Sanierungen verloren. In Wien wie auch in Köln gebe es deshalb den Spruch. "Wenn es ein Gerüst am Dom gibt, geht es uns gut."
Neben dem Wiener Dombaumeister äußerten sich in der in Zusammenarbeit mit dem "Falstaff Verlag" erschienenen Jubiläumsausgabe "Unser Stephansdom", das Österreichs Wahrzeichen in faszinierenden Ansichten zeigt, u.a. Vereinsobmann Günter Geyer, Kardinal Christoph Schönborn, der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig und Dompfarrer Toni Faber. Geyer, seit zehn Jahren Obmann des 1987 vom damaligen Wiener Bürgermeister Helmut Zilk gegründeten, gemeinnützigen und politisch unabhängigen Vereins, wies in seinem Grußwort an die "Spenderfamilie" auf den Finanzbedarf hin: Der Stephansdom benötige jährlich 2,2 Mio. Euro, "um in seiner vollen Schönheit zu bestehen".
"Silicon Valleys" des Mittelalters
Die Dombauhütten trieben seit dem Hochmittelalter die Bauentwicklung an den großen Kathedralen Europas voran und seien die "Silicon Valleys" dieser Epoche gewesen, in denen das technische Wissen der damaligen Zeit konzentriert war, erklärte Architekt Zehetner. Inzwischen habe sich der Schwerpunkt auf die Restaurierung bzw. Instandhaltung verlagert. Traditionelle Handwerkstechniken würden dabei mit modernsten Methoden kombiniert. Heute würden oft nur mehr maschinell geschnittene Teile an die Fassaden der Gotteshäuser geklebt, sagte Zehetner: "Bei uns wird noch das traditionelle Steinmetzhandwerk praktiziert."
2022 sei das Ziel, das "Gotteshaus, Kunstwerk und Kulturgut" Stephansdom für die nachfolgenden Generationen zu bewahren, in vieler Hinsicht umgesetzt worden, geht aus dem Bericht des Dombaumeisters hervor. Zehetner erwähnte u.a. die wieder in verschiedenen Steintönen - dem Alter der Steine entsprechend - erstrahlende Südfassade, der neue Zugang zum Singertor, restaurierte Bischofsfiguren im Dominneren, eine neue Brandmeldeanlage im Dachboden von St. Stephan und die neu gestaltete Innenbeleuchtung.
Seit dem Sommer gebe es auch wieder Honig produzierende Bienenvölker am Dom, große Probleme gebe es allerdings durch andere geflügelte Bewohner der Kathedrale: "Die Zahl der Tauben, die am Dom nisten, hat seit 2019 wieder stark zugenommen", beklagte Zehetner. Der Grund dafür sei Fütterung, die den Dom "als Nist- und Kotplatz beliebt" machen.
"Schirmherren" Schönborn und Ludwig
Als "Schirmherren" des Vereins "Unser Stephansdom" fungieren der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn und Bürgermeister Michael Ludwig. Beide "repräsentieren sozusagen die beiden Pfeiler, auf denen der Dom ruht: die Kirche und die Stadt", wie Schönborn im neuen Heft hinwies. Der "Steffl" sei nicht nur für die Katholiken da, sondern für alle Wiener und er sei auch ein Touristenziel ersten Ranges. Das markanteste Bauwerk im Herzen Wiens dürfe "kein optischer Schandfleck sein", betonte der Kardinal. Über dessen Bedeutung für Österreich sagte er: "In anderen Ländern der Welt werden die Kathedralen verehrt. Der Stephansdom wird geliebt!"
Für Bürgermeister Ludwig "ist es nicht nur eine Ehre, sondern auch eine Pflicht, sich für den Erhalt des bedeutendsten Gebäudes der Stadt einzusetzen". Es sei ein geografisches, "aber auch ein moralisches Zentrum. Für die Kirche, die Politik, aber auch für die Wirtschaft", so Ludwig. Der Dom gebe Orientierung und sei ein "Ort der Besinnung". Als Historiker fasziniere ihn die Wiederaufbaugeschichte des zerstörten Doms nach dem Zweiten Weltkrieg - laut Ludwig eine Erfolgsgeschichte, die den Aufstieg der Zweiten Republik widerspiegle: "Was damals geleistet wurde, indem alle zusammengeholfen haben, ist unglaublich und eine stete Inspiration."
Viele Interviews, Fotos, Zahlen
Weitere Interviews finden sich in der mit großartigen Fotos garnierten Jubiläumsausgabe u.a. mit Dompfarrer Toni Faber ("bin City-Missionar und Dorfpfarrer zugleich"), mit der "Wurstsemmelführungen" für Kinder leitenden Historikerin Annemarie Fenzl und mit Domarchivar Reinhard Gruber. Ein Artikel gilt der erneuerten Riesenorgel auf der Westempore, die nach drei Jahrzehnte währendem Verstummen das Gotteshaus "nun wieder mit einzigartigem musikalischem Leben" erfülle.
Den Schlusspunkt setzen bemerkenswerte Zahlenspiele rund um den Stephansdom: Durchschnittlich 4.000 Personen besuchen hier an einem "gewöhnlichen" Sonntag einen Gottesdienst, 80 Kinder werden pro Jahr getauft. Knapp 11.000 Wienerinnen und Wiener fanden in den 1783 geschlossenen Katakomben ihre letzte Ruhestätte. Der Dom besitzt insgesamt 22 Glocken, die größte davon - die Pummerin - läutet mindestens zwölfmal im Jahr.
Steuerlich absetzbare Spenden sind erbeten auf das Konto des Vereins "Unser Stephansdom", IBAN: AT31 2011 1839 1199 6701 (Info für Online-Spenden: www.stephansdom.at/index.htm)
Quelle: kathpress