Wiener Seestadt: Religionsvertreter trafen sich zum "Lichtfest"
Nach einer zweijährigen Corona-Unterbrechung haben sich Vertreter von sieben Kirchen und Religionen am Ort des künftigen "Campus der Religionen" in der Wiener Seestadt wieder zu einem gemeinsamen "Lichtfest" getroffen. Geistliche und Gläubige aus der katholischen, der evangelischen und der neuapostolischen Kirche sowie aus Judentum, Hinduismus, Buddhismus und Sikhismus bekundeten dabei am Sonntagabend ihre Verbundenheit und Freundschaft, zudem gab es geistliche Impulse aus den jeweiligen Traditionen.
Der Wiener Bischofsvikar Dariusz Schutzki konnte eine auf insgesamt 25 Religionsvertreter angewachsene Runde begrüßen. Es handle sich bei ihnen um "keinen Schönwetterverein", stellte der katholische Geistliche in Anspielung auf den eisigen Wind während der Feier fest. Zbigniew Parzonka, Kaplan in der für die Seestadt zuständigen Pfarre Aspern, verwies auf die in der katholischen Tradition verehrte Heilige Luzia. Die am 13. Dezember gefeierte "Lichtträgerin" und frühchristliche Märtyrerin erinnere an das Jesus-Wort "Ihr seid das Licht der Welt". "Unsere Aufgabe ist es, Licht zu sein und es anderen weiterzugeben", sagte Parzonka.
An die "vielen Menschen, die heute im Dunkeln sitzen" erinnerte Walter Hessler von der Neuapostolischen Kirche. Der Terror des Krieges habe die Städte der Ukraine in Dunkelheit gehüllt, doch auch in Westeuropa werde heuer wegen der Energiekrise auf üppige Weihnachtsbeleuchtung verzichtet. Die Bibel greife solche Erfahrungen auf mit Formulierungen wie etwa dem "Volk, das in Finsternis saß", sowie mit der Beschreibung Jesu als das "Licht, das in die Dunkelheit kam". Auch der hell erleuchtete Christbaum weise auf das Kommen Gottes in die Welt hin. Christen seien aufgerufen, das Licht zu reflektieren - was dann geschehe, "wenn wir für den nächsten und für ein friedvolles Miteinander eintreten", so Hessler.
Evangelische Gedanken kamen von Verena Groh. Die amtsführende Pfarrerin in Wien-Donaustadt sowie Religionslehrerin in der Seestadt mahnte angesichts der bereits mehrmals zum Opfer von Vandalenakten gewordenen jüdischen Fahne am Gelände des künftigen "Campus der Religionen" zu Wachsamkeit gegenüber Antisemitismus. Die Gerechten dürften nicht schlafen, betonte sie mit einem Gedicht von Günter Eich. Wichtig sei, nicht leeren Herzens zu sein, sondern den Mächtigen unbequem und "Sand, nicht Öl im Getriebe dieser Welt". Presbyter Mario Haidinger kam auf die christliche Haltung des Wartens, Fragens, Sehnens und Hoffens im Advent zu sprechen. Christen sollten "jeden Tag neu den Stern suchen, der den Weg aus der Dunkelheit kennt".
Über das im Judentum gefeierte und heuer mit dem christlichen Weihnachten zusammentreffende Chanukka-Fest sprach Willy Weisz von der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien. Das bewusst in der dunkelsten Jahreszeit terminierte Lichterfest erinnere an die Wiedereinweihung des Jerusalemer Tempels nach der Schändung durch die Seleukiden. Acht Tage lang sei damals im Jahr 164 v. Chr. - beziehungsweise im Jahr 3597 jüdischer Zeitrechnung - gefeiert worden, "und wir tun das seither über die Jahrhunderte hinweg", betonte Weisz, der Grüße von Oberrabbiner Jaron Engelmayer übermittelte.
Gemeinsam für den Frieden
Als "Willkommensfest für 2023" bezeichnete Sunil Narula von der Hinduistischen Gemeinde Österreichs das gemeinsame Lichtfest. Derzeit erlebe die Welt ein "Zeitalter der Dunkelheit", in dem das Licht "Zeichen der Hoffnung" sei, zumal es Dunkelheit vertreiben und Gemeinschaft zwischen Menschen errichten könne. Die Menschen seien dazu gerufen, "spirituelles Licht in der Welt zu verbreiten" - was Erleuchtung durch das "göttliche Licht" erfordere. Die gemeinsame Anstrengung der Religionen müsse darauf hinauslaufen, "dass in der Welt Frieden ist".
Mitglieder der in der Asperner Seestadt ansässigen buddhistischen Gemeinschaft verwiesen auf die in ihrer Religion gesuchte "Erleuchtung" ihres Gründers Siddhartha Gautama, die laut der Mahayana-Tradition vor rund 2.500 Jahren an einem 8. Dezember durch den Morgenstern geschah. Dass das am Erleuchtungstag gefeierte Kommen des "Lichts der Erleuchtung" mit dem in der katholischen Tradition gefeierten Mariä-Empfängnis-Tag zusammenfalle, sei wohl nicht zufällig, hieß es.
Ein gemeinsames Ritual für das Lichtfest steuerte Gursharan Singh Mangat, der Obmann der Sikh-Gemeinde Österreich, bei. Die Anwesenden entzündeten dabei reihum ein kleines Licht von einer gemeinsamen Lichtquelle. Bei seiner noch jungen Religion gehe man von einem universellen Schöpfer aus, erklärte Mangat. Von dieser "übergeordneten Macht" gehe auch das Licht aus.
Vernetzung gewachsen
Die Lichtfeier im Dezember gilt bereits seit den Anfängen der Idee des "Campus der Religionen" als feste Tradition bei den beteiligten Religions- und Bekenntnisgemeinschaften, zu denen sonst auch die Muslime gehören, wobei die Unterbrechung in den vergangenen beiden Jahren der Corona-Pandemie geschuldet war. Ähnliche Feiern gibt es auch zu anderen Jahreszeiten wie etwa im Frühling, betonte Bischofsvikar Schutzki auf Anfrage von Kathpress.
Während sich die Vernetzung der Religionsvertreter untereinander bereits gefestigt hat - auf "weltweit einzigartige Weise", wie Schutzki befand - ist der schon lange projektierte Bau des Campus bislang noch nicht gestartet. Am dafür vorgesehenen Platz in zentraler Seestadt-Lage unmittelbar neben See und U-Bahn-Station sieht man bislang erst die Fahnen der beteiligten Gemeinschaften. 2023 wolle man am Platz ein erstes "sichtbares Zeichen" setzen, erklärte der Bischofsvikar. (Infos: www.campus-der-religionen.at)
Quelle: kathpress