Weltverfolgungsindex: Christenverfolgung hat "alarmierend zugenommen"
Das Ausmaß der Gewalt gegen Christen hat in den letzten Jahren einen neuen Höchststand erreicht. Das geht aus dem am Mittwoch veröffentlichen Weltverfolgungsindex von Open Doors 2023 hervor. Das Hilfswerk erstellt seit nunmehr 30 Jahren eine Rangliste von 50 Ländern mit der stärksten Christenverfolgung. In diesem Zeitraum habe die weltweite Ausbreitung der Verfolgung von Christen "alarmierend zugenommen". Demnach wurden laut Open Doors allein von 1. Oktober 2021 bis 30. September 2022 mindestens 5.621 Christen wegen ihres Glaubens ermordet.
Weltweit leiden laut Open Doors mehr als 360 Millionen Christen aufgrund ihres Glaubens zumindest unter einem "hohen" Maß an Verfolgung und Diskriminierung. Besonders in Nigeria (Platz 6) und in ganz Subsahara-Afrika habe die Gewalt gegen sie erheblich zugenommen, wie aus dem aktuellen Bericht hervorgeht. Außerdem verschärften zunehmender Autoritarismus sowie ideologischer Nationalismus die Verfolgung und Diskriminierung, von der Christen in 76 Ländern in hohem Maß betroffen sind.
Weltweit sei heute laut der Organisation jeder siebte Christ mindestens einem "hohen" Maß an Verfolgung oder Diskriminierung ausgesetzt, davon jeder fünfte in Afrika, zwei von fünf in Asien und jeder 15. in Lateinamerika. Seien im Jahr 1993 Christen in 40 Ländern einem "hohen" bis "extremen" Maß an Verfolgung ausgesetzt, habe sich diese Zahl mit 76 Ländern im Jahr 2023 fast verdoppelt. Allein in den 50 im Index gelisteten Ländern sind 312 Millionen Christen laut Open Doors einem "sehr hohen" oder "extremen" Maß an Verfolgung ausgesetzt.
"Die langfristige Entwicklung bereitet uns Sorgen, denn die Verfolgung und die Verletzung der Religionsfreiheit waren noch nie so stark wie heute", betonte Kurt Igler, Geschäftsführer von Open Doors Österreich. Mit dem Index mache man schon seit 30 Jahren auf die Situation von Millionen von Christen, die allen Arten von Angriffen auf ihre Grundrechte ausgesetzt seien, aufmerksam. Die Ergebnisse des Weltverfolgungsindex ermöglichten es zudem, die Unterstützung gezielt auf diejenigen auszurichten, die sie am dringendsten benötigten.
Igler fordert angesichts dieser Entwicklungen zu verstärktem Einsatz westlicher Regierungen auf: "Noch immer wird die weltweite Christenverfolgung nicht als das wahrgenommen, was sie in Wahrheit ist: einer der größten menschenrechtlichen Skandale der Gegenwart", konstatierte Igler. An die österreichische Politik und Öffentlichkeit appellierte der Menschenrechtler, "nicht länger dazu zu schweigen und sich noch stärker als bisher für die Entrechteten einzusetzen".
Nordkorea wieder auf Platz 1
Nachdem im vergangenen Jahr erstmals Afghanistan den ersten Platz der gefährlichsten Länder für Christen einnahm, ist es in diesem Jahr wieder Nordkorea, das die unrühmliche Spitzenposition bekleidet, ist dem Weltverfolgungsindex zu entnehmen. Die Situation für Christinnen und Christen bleibe in dem von den Taliban kontrollierten Land freilich weiterhin gefährlich, sodass Afghanistan heuer den Platz 9 der gefährlichsten Länder belegt.
Nordkorea erreicht heuer mit 98 Punkten den höchsten Wert seit Beginn der Dokumentation, so Open Doors. Das sei u.a. auf die Einführung des neuen "Gesetzes gegen reaktionäres Gedankengut" zurückzuführen, durch welches auch mehr Hauskirchen entdeckt und Christen verhaftet wurden. Verhaftung bedeute Hinrichtung oder ein Leben in einem der grausamen Lager für politische Gefangene, in denen die Internierten kaum zu essen bekommen, gefoltert werden und sexuelle Gewalt erfahren, so die Organisation.
Als besonders dramatisch zeige sich die Lage in Subsahara-Afrika. Die Länder würden aktuell von einer Welle religiös motivierter Gewalt heimgesucht, die ihren Ursprung in Nigeria (Platz 6) hat. Auch in Ländern wie Burkina Faso (Platz 23), Kamerun (Platz 45), Mali (Platz 17) und Niger (Platz 28) werden Christinnen und Christen demnach massiv bedroht und verfolgt. Allein in Nigeria sei die Zahl der religiös motivierten Tötungen von 4.650 im letzten Jahr auf 5.014 gestiegen - das sind 89 Prozent der internationalen Gesamtzahl.
Autoritarismus in China und Lateinamerika
In autoritär regierten Ländern wie China (Platz 16) gehe es den Regimen hingegen um die "völlige Kontrolle allen kirchlichen Lebens, das sie durch strenge Gesetze und ideologischen Nationalismus ersticken wollen", so Open Doors. Ein Gesetz vom März 2022 gestatte in China etwa nur noch lizenzierten und damit systemkonformen Kirchen und NGOs, religiöse Inhalte im Internet zu verbreiten.
Der Zugang zu den seit der Pandemie verstärkt durchgeführten Onlinegottesdiensten sowie zu christlichen Lehrmaterialien und zur Bibel sei damit vielen Christinnen und Christen verwehrt. Zuwiderhandlungen würden mit hohen Haftstrafen geahndet. China sei damit erneut das Land, in dem die meisten Kirchen und kirchlichen Einrichtungen zerstört oder geschlossen wurden.
Zunehmende Autoritarismus von Regierungen sei auch in vielen lateinamerikanischen Ländern, zusammen mit einer immer feindseligeren Haltung gegenüber Kirchen und dem christlichen Glauben, zu beobachten. So scheine Nicaragua (Platz 50) erstmals im Weltverfolgungsindex auf, aber auch in Kolumbien (Platz 22), Mexiko (Platz 38) und Kuba (Platz 27) habe sich die Situation für Christen stark verschlechtert. Beispielsweise in Nicaragua und Kuba werden Kirchenleiter unter Druck gesetzt und verhaftet, die Überwachung verstärkt, Registrierungen und Genehmigungen verweigert und Gebäude beschlagnahmt.
Anti-Bekehrungsgesetze und tätliche Angriffe
In Indien (Platz 11) hingegen sind Christen laut dem Jahresbericht durch Anti-Bekehrungsgesetze in mittlerweile zwölf Bundesstaaten willkürlichen Verhaftungen ausgesetzt, bis zu zehn Jahre Haft sind möglich. Im aktuellen Berichtszeitraum seien mehr als 1.700 Christinnen und Christen inhaftiert worden, so Open Doors. Andererseits stünden Angriffe auf Christen durch radikale Hindus weiterhin auf der Tagesordnung.
Dass auch die Zahl der Christen im Nahen Osten weiter schrumpfe, obwohl die Zahl der getöteten Christen in den letzten Jahren zurückgegangen sei - eine Ausnahme ist Syrien (Platz 12) - sei besonders bedauerlich. In der "Wiege des Christentums" verlören viele die Hoffnung - "die harte Kost der Diskriminierung und der Armut ist zu schwer zu ertragen, besonders für die jungen Menschen, die hier keine Zukunft als Gläubige sehen", so Open Doors.
Quelle: Kathpress