Papst auch für Gläubige anderer Religionen "eine Inspiration"

Papst Franziskus ist mit seinen Gesten und Handeln im Bereich des interreligiösen Dialogs auch eine "Inspiration" für Gläubige anderer Religionen. Das haben Vertreter verschiedener Religionsgemeinschaften am Mittwochabend in Wien bei der Präsentation eines neuen Buches über Franziskus und den interreligiösen Dialog deutlich gemacht. Jorge Mario Bergoglio sei schon seit seiner Zeit als Erzbischof von Buenos Aires ein "erfahrener Praktiker" des interreligiösen Dialogs, betonte der Theologe und Religionswissenschaftler Ernst Fürlinger. Er hat in seinem Buch "Handwerker der Hoffnung" die zentralen Texte des Papstes zum interreligiösen Dialog analysiert. Die Wahl von Franziskus bezeichnete der Experte als einen über die katholische Kirche hinausreichenden "Glücksfall" für den Religionsdialog.

Aus Sicht von Muslimen bzw. Juden sprachen Carla Amina Baghajati, Leiterin des Schulamts der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ), sowie der Geschäftsführer des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit, Yuval Katz-Wilfing, über den interreligiösen Kurs des Papstes. Katz-Wilfing würdigte dabei die Bemühungen des Papstes um den Aufbau eines Vertrauensverhältnisses. Der Judaist verwies dazu etwa auf das in einem Vatikandokument von 2015 formulierte Nein zur Judenmission.

Franziskus versuche, nicht nur in seinen eigenen, persönlichen Beziehungen zu Juden eine "Theologie des Shaloms" zu praktizieren, sagte Katz-Wilfing. "Er macht das auch zu einem festen Bestandteil des Glaubens für alle Katholiken, wenn er lehrt: Es ist ein Widerspruch, dass ein Christ Antisemit ist." Auch sechs Jahrzehnte nach der Erklärung "Nostra aetate" des Zweiten Vatikanischen Konzils, in der die katholische Kirche ihr Verhältnis zu den Juden neu bestimmte, seien freilich längst nicht alle Punkte geklärt, fügte Katz-Wilfing hinzu. Immer noch gebe es unter Juden auch Ängste einer "gefährlichen Umarmung" durch das Christentum. Ziel müsse eine Balance sein, zwischen Offenheit und Bewahrung eigener Identität. Es gehe um das Bemühen, "der eigenen Theologie treu zu bleiben, aber auch den Gesprächspartnern die Möglichkeit zu geben, ihrem Glauben treu zu bleiben".

"Haltung der Demütigkeit"

Auf "praktische Werkzeuge aus dem Handeln und Auftreten von Papst Franziskus", von der auch sie selbst inspiriert sei, machte IGGÖ-Schulamtsleiterin Baghajati aufmerksam. Die Muslimin nannte unter anderem die von Franziskus trotz dessen Machtposition gelebte "Haltung der Demütigkeit und des Pilgers", seine Betonung der "Kraft des Gebets", aber auch das bewusste Setzen von Gesten und einer dialogischen Sprache, um an der Kultur anderer anknüpfen zu können. Ebenso zähle zu diesen Werkzeugen das Bestehen des Papstes auf einer differenzierten Sichtweise und die Ablehnung schneller Verallgemeinerungen, etwa wenn es um Gewalt in den Religionen geht.

Als zentral bezeichnete Baghajati die von Franziskus praktizierte Betonung des Gemeinsamen, gerade in Zeit, in der viele Menschen versucht seien, eigene gewünschte Identität eher durch Abgrenzung zu suchen. Die Muslimin nannte dazu den auf andere Religionen ausstrahlenden Fokus des Papstes auf das Thema Barmherzigkeit. "Franziskus ist wirklich wegweisend darin, aufzuzeigen: Wir haben einen barmherzigen Gott, wenn wir uns als katholische Christen verstehen, wir haben ihn auch, wenn wir evangelisch sind - und natürlich auch in den nichtchristlichen Religionen ist Barmherzigkeit ein Wert", hob Baghajati hervor. "Genau so kommen wir weiter, wenn wir uns auch das Gemeinsame offen zugestehen und nicht die Identität durch Abgrenzung suchen."

An der Buchpräsentation nahmen unter anderem der serbisch-orthodoxe Bischof Andrej (Cilerdzic), die Publizistin und Pionierin im österreichischen christlich-jüdischen Dialog, Ruth Steiner, und Koordinierungsausschuss-Präsident Martin Jäggle teil, sowie Vertreter der Plattform "Christen und Muslime" wie auch der Generalsekretär der Buddhistischen Religionsgesellschaft in Österreich, Johannes Kronika.

"Grundlehre des interreligiösen Dialogs" entwickelt

Der Autor und Religionswissenschaftler Fürlinger erklärte, dass Franziskus durch seine jahrelange Praxis eine Art "Grundlehre des interreligiösen Dialogs" entwickelt habe. So bestehe der Kern des Religionsdialogs für das katholische Kirchenoberhaupt in der Balance, gegenüber dem Anderen authentisch, offen und zugleich in der eigenen religiösen Identität klar gegründet zu sein. Eindeutig sei auch, dass der Papst Proselytismus ablehne und diesen für mit dem Dialog unvereinbar halte.

Das Thema der universalen Geschwisterlichkeit - es ist etwa auch im 2019 von Franziskus und Großimam Ahmad Al-Tayyeb unterzeichneten historischen Dokument von Abu Dhabi zentral - ziehe sich wie ein roter Faden durch die Aussagen des Papstes, so Fürlinger. "Mit dem Thema Geschwisterlichkeit stellt er den interreligiösen Dialog in einen größeren Zusammenhang. Die gegenwärtigen bedrohlichen Herausforderungen wie das Artensterben, Klimakrise oder Pandemie erfordern aus seiner Sicht, das alte nationalistische Stammesdenken und auch einen religiösen Nationalismus zu überwinden und in planetarischen Kategorien zu denken", sagte der Experte.

Fürlinger leitete von 2013 bis 2019 das Zentrum für Religion und Globalisierung an der Donau-Universität Krems. Seit 2020 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter des Research Lab Democracy and Society in Transition der Donau-Universität. Sein Buch "Handwerker der Hoffnung. Papst Franziskus und der interreligiöse Dialog" ist im Tyrolia-Verlag erschienen. (Verlagsinfo: www.tyroliaverlag.at/item/Handwerker_der_Hoffnung/Ernst_Fuerlinger/58776701)

Quelle: kathpress