Scheuer: "Lebendige Erinnerungskultur" an NS-Zeit unverzichtbar
Auf die hohe Bedeutung einer "lebendigen Erinnerungskultur" für die Jahre der NS-Diktatur hat der Linzer Bischof Manfred Scheuer hingewiesen. Besonders die junge Generation sei auf die Erfahrung der Zeitzeugen angewiesen, ohne welche die dunkelsten Kapitel der jüngeren österreichischen Geschichte "verschlossenes Land" blieben. Das hätte "unabsehbare Konsequenzen für künftige Entwicklungen unserer Gesellschaft", sagte er am Dienstagabend bei der Präsentation des "Gedächtnisbuches Oberösterreich" im Linzer Mariendom.
Bei dem Gedächtnisbuch handelt es sich um eine wachsende Sammlung von Biografien zu Personen, die im Nationalsozialismus verfolgt waren oder durch widerständiges Handeln gegen das NS-Regime ihr Leben in Gefahr brachten. Die Beiträge sind von Personen gestaltet, die einen persönlichen, örtlichen oder inhaltlichen Bezug zu den Dargestellten haben. Jedes Jahr wird das Buch ergänzt - dieses Jahr zum vierten Mal, mit Seiten zu Dorothea Epstein, Josef Finster, Zäzilia Fischböck, Karoline Hartl, Aloisia Hofinger, Franz Humer, Alfred Pühringer, Theresia Reindl und Johann Steinbock.
Das Gedächtnisbuch nehme seine Leserinnen und Leser an der Hand und lade sie dazu ein, "unerforschtes Gebiet zu entdecken", sagte Bischof Scheuer. Aufgezeigt würden "Facetten dessen, was die Zeit des Nationalsozialismus mit unserer Gesellschaft machte, mit den Menschen, Organisationen und mit dem Staat". Deutlich werde dabei auch, "dass es Menschen gab, die sich gegen die Kartographie des Bösen stellten". Aus ganz unterschiedlichen Gründen hätten sie es riskiert und vorgezogen, "marginalisiert, ausgesetzt und eliminiert zu werden".
Für viele Menschen heute sei die Bereitschaft zum Widerstand und zur Zivilcourage gar nicht mehr nachvollziehbar, warnte Bischof Scheuer. Da es immer weniger Zeitzeugen gebe, dürfe das Sichern dieser Biografien "umso weniger aufhören". Scheuer erwähnte zudem, dass er zu einem der neu Dargestellten - dem Priester Johann Steinbock - auch eine persönliche Verbindung habe: Er sei der Onkel seines Firmpaten gewesen.
Das Gedächtnisbuch ist seit einem Jahr im Linzer Schlossmuseum öffentlich einsehbar. Getragen wird das Projekt von einer unabhängigen Projektgruppe aus Einzelpersonen des Linzer Jägerstätter-Instituts, des Gedenkortes Schloss Hartheim, der Privaten Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz sowie von Jägerstätter-Biografin Erna Putz, in Kooperation mit dem Netzwerk erinnern.at.
Quelle: kathpress