
Tück: Tribunal der letzten Generation ist nicht Jüngstes Gericht
Sein Unbehagen über manche kirchliche Initiativen im Bereich Klima- und Umweltschutz hat der Wiener Dogmatikprofessor Jan-Heiner Tück geäußert. Auch wenn Papst und Kirche zu Recht eine ökologieverträgliche Politik anmahnen würden, seien jüngst mehrfach veranstaltete "Trauerfeiern für sterbende Gletscher" unangebracht und aus mehreren Gründen "theologisch abenteuerlich", so der Theologe in einem Gastkommentar für "Die Presse" (2. August). Vorbehalte äußerte Tück gegenüber dem "Bezichtigungsfuror", der sich im Umkreis der Letzten Generation breitgemacht habe: "Das Tribunal der letzten Generation ist nicht das Jüngste Gericht. Vor diesem werden sich Klimasünder und Klima-Aktivisten gleichermaßen zu verantworten haben."
Bei aller gebotenen Solidarität mit Anliegen des Klimaschutzes könnten rechtswidrige Interventionen, die die Infrastruktur lahmlegen, Kunstwerke attackieren und andere schädigen, nicht gebilligt werden, wandte sich Tück gegen jüngst häufige Formen des Klimaprotests. Es sei Aufgabe der Politik, machbare Antworten auf das komplexe Phänomen des Klimawandels zu finden und dafür Klimaforschung, ökonomische Interessen und die globale Dimension des Problems sachgerecht abzuwägen. Aufgabe der Kirche hingegen sei es, die Frage nach der Schöpfungsverantwortung des Menschen zu stellen "und zu einer kritischen Selbstrevision - nicht vor dem Klima, sondern vor Gott - einzuladen", erklärte Tück. Das Ambo in der Kirche sei "kein politisches Rednerpult", und das Evangelium biete keine klaren Handlungsanweisungen zur Rettung des Klimas.
"Gefahr, das Thema emotional aufzuladen"
"Trauerfeiern für sterbende Gletscher" stehen laut dem Theologen in "Gefahr, das Thema Klimawandel emotional aufzuladen und den apokalyptisch gefärbten Klima-Aktivismus theologisch zu unterfüttern". Tück äußerte den Verdacht, "dass der Relevanzverlust, den die Kirchen in ihrem Kernbereich, der Rede von Gott und Jesus Christus, von Sünde und Erlösung, von Gericht und Vollendung hinnehmen müssen, durch geschmeidige Anpassung an ökologische Imperative kompensiert werden soll".
Requien wie zuletzt für den Brandner-Gletscher in Vorarlberg oder auf dem Zugspitzplatt Skigebiet in Garmisch-Partenkirchen gehen dem Wiener Theologen zu weit: Erstens würden Requien nicht für Sterbende, sondern für Verstorbene gefeiert. Zweitens gälten sie nicht Naturphänomenen, sondern Personen mit Namen und Geschichte. Drittens sei mit der Begräbnisliturgie die Hoffnung auf Auferstehung verbunden: "Wie will man das auf sterbende Gletscher beziehen?", fragte Tück. "Sollen Gletscher, für die man Totenmessen feiert, in eisigen Paradieslandschaften wiederauferstehen?"
Klima-Aktivisten würden in apokalyptischen Bildern davor warnen, "dass die Erde schon bald zur Hölle werden könnte". Allein schon der Name "Letzte Generation" kündigt laut Tück "mit alarmistischem Unterton das baldige Finale der Geschichte" an. Zugleich räumte er mit Blick auf die Brände in der Mittelmeerregion ein, "dass die Drohszenarien der Klima-Aktivisten keineswegs fiktiv sind". Die Befürchtungen einer Revanche der Natur für rücksichtslosen Raubbau fänden auch in den Kirchen große Resonanz. Diese hätten das Thema "Bewahrung der Schöpfung" schon länger entdeckt und immer wieder ein Umdenken in Sachen Umwelt angestoßen.
Quelle: kathpress