Religionsdialog-Expertin: 7. Oktober hat Grundsätzliches geändert
Der 7. Oktober 2023 hat in Israel - wie für die ganze jüdische Welt - "etwas Grundsätzliches geändert" und das Sicherheitsgefühl von Jüdinnen und Juden nachhaltig untergraben. Nach den Worten von Liliane Apotheker, der Präsidentin des Internationalen Rates der Christen und Juden, bot Israel allen dort lebenden Juden, aber auch jenen in der Diaspora immer die Gewissheit, sicher zu sein. Das sei nicht mehr der Fall. Und, "es wird lange dauern, bis man das überwinden kann". Sie selbst sei "als Jüdin tief erschüttert" über das Pogrom, "durchgeführt von einer terroristischen Organisation, die nichts anderes vorhatte, als zu töten". Seit der Schoa sei dies die größte Zahl von Juden, die an einem Tag ermordet wurden, wies die Religionsdialog-Expertin im Interview der "Furche" (19. Oktober) hin.
Apotheker, in Belgien als Tochter von Schoa-Überlebenden geboren und nach dem Studium in Israel heute in Frankreich lebend, verwies auf das am 7. Oktober gefeierte Fest Simchat Tora, an dem die Tora im Jahresverlauf zu Ende gelesen wurde - "ein Fest der Hoffnung", wie die Präsidentin sagte. Nun werde ein Gedenken an diesen "eigentlich sehr glücklichen Tag" bleiben - eine Zäsur mit einem "Before- und einem After-Effect".
Sie würde sich wünschen, dass die Bevölkerung in allen Ländern das Massaker der Hamas als etwas wahrnimmt, "das gegen den Humanismus, nicht nur gegen Juden gerichtet ist. Das müsste als viel mehr verstanden werden als bloß als Akt der absoluten Barbarei". Als Präsidentin einer Organisation, die sich um den christlich jüdischen Dialog bemüht, betonte Apotheker: "Wir werden unsere Arbeit weiter leisten, wir werden nicht zulassen, dass diese Barbarei das, was wir aufgebaut haben, einfach vernichtet." Dazu habe es auch ein Statement des Internationalen Rates der Christen und Juden gegeben. Leider hätten nicht alle Christen "Nostra Aetate" (das Konzilsdokument von 1965, mit dem die katholische Kirche das Verhältnis zum Judentum neu bestimmte, Anm.) oder die entsprechenden Dokumente der protestantischen Kirchen wirklich rezipiert.
"Vielleicht sollten Christen eine Kippa tragen"
Zur zuletzt geäußerten Kritik an der Positionierung der Spitze der katholischen Kirche, sie stehe zu wenig auf der Seite Israels, sagte Apotheker: "Als Jüdin bin ich das gewohnt. Das ist nichts Neues. Andererseits: Was kann der Papst sagen?" Sie wünsche sich, "dass sich die Humanität von allen herausschält" und Mitgefühl mit den Opfern zeigt, die auf so brutale Weise ermordet wurden. "Das wäre das erste."
Dass der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde in Österreich seine Mitglieder jüngst aufforderte, in diesen Tagen keine jüdischen Utensilien wie eine Kippa öffentlich zu tragen, kommentierte die Dialog-Expertin mit dem Hinweis auf seit Jahrzehnten notwendigen Schutz für jüdische Einrichtungen in Ländern des Westens. Auf die Frage, wie sich Christen demgegenüber verhalten sollten, antwortete Apotheker mit einer Gegenfrage: "Vielleicht, indem sie alle eine Kippa tragen?"
Quelle: kathpress