Sozialethikerin: Klimawandel verlangt Ethik der Selbstbeschränkung
Der Klimawandel nötigt zu einer neuen "Ethik der Selbstbeschränkung" und zu einer Besinnung darauf, dass es eine Überwindung der "Illusion der Grenzenlosigkeit" braucht. Das hat die emeritierte Wiener Sozialethikerin Prof. Ingeborg Gabriel bei einem Vortrag an der Universität Wien betont. Um dies zu erreichen, sei ein hohes Maß an "kreativer Dynamik" auf individueller wie auf zivilgesellschaftlicher und politischer Ebene notwendig. Die Kirchen könnten im Blick auf das Ziel, "die Erde bewohnbar zu halten" gleichsam zu "Trendsettern" für eine "neue Kultur des Verzichts" werden, zeigte sich Gabriel überzeugt. Die Enzyklika "Laudato si" sei dazu richtungsweisend. "Die Freiheitsverheißungen der Moderne, die in die Illusion der Grenzenlosigkeit umgeschlagen sind, müssen neu definiert werden."
Gabriel äußerte sich am Dienstagabend im Rahmen der Ringvorlesung "Klimagerechtigkeit und Religion" der Katholisch-Theologischen Fakultät. Ihr Vortrag stand unter dem Titel "Grenzenlos? Eine sozial-/geisteswissenschaftliche Vermessung des Terrains und seine ethisch-ökologischen Implikationen". Grenzenlosigkeit sei ein zentrales Paradigma der Moderne und eine bis in die Ökonomie hinein über viele Jahre unhinterfragte Grundannahme gewesen.
Die positive Konnotation des Überschreitens von Grenzen liege nicht zuletzt in einer "quasi-religiösen Sehnsucht" begründet: "Grenzenlosigkeit ist ein uralter Menschheitstraum" - dabei sei das Überschreiten zweischneidig: Wachstum und Expansion hätten Wohlstand für viele gebracht, zugleich füge es heute sichtbar den Menschen und der Umwelt Schaden zu.
Notwendig sei heute eine "Überwindung der Utopie der Grenzenlosigkeit" und eine "Neudefinition der Angemessenheit menschlicher Bedürfnisse". Es gelte zu lernen, sich wieder mit den Grenzen abzufinden - den Grenzen des Subjekts (sichtbar in Verletzbarkeit, Sterblichkeit, Abhängigkeit) ebenso wie mit den Grenzen der Wissenschaft und der Ökonomie, so Gabriel. "Diese Grenzen sind die Grundlagen unserer menschlichen Existenz - und wir haben sie weitgehend verdrängt".
Die Wiener Ringvorlesung "Klimagerechtigkeit und Religion" findet jeweils an Dienstagen ab 18.30 Uhr statt. Die Themenpalette der Vorträgt reicht von der Schöpfungstheologie und einer neuen Sicht auf den Menschen innerhalb dieser Schöpfung ("Ende des Anthropozäns") über tierethische Fragen bis hin zur Analyse des Phänomens "Apokalyptik".
Die zehn Vorträge von Fachleuten unterschiedlicher theologischer und religionsbezogener Fächer aus dem In- und Ausland werden eingerahmt von Podiumsdiskussionen zu Beginn und am Schluss. Konzipiert haben die Reihe der Medien- und Sozialethiker Alexander Filipovic und der Pastoraltheologe Johann Pock, die beide an der Katholisch-Theologischen Fakultät lehren. (Infos: https://ktf.univie.ac.at/ringvorlesungklimagerechtigkeitundreligion)
Quelle: kathpress