
Marys Meals: Hungersnot in Malawi spitzt sich seit Zyklon zu
In Malawi, einem der ärmsten Länder der Welt, herrscht seit dem Frühjahr eine Hungerkrise, die von der Welt kaum beachtet wird: Zumal ein Zyklon die Ernte vernichtet hat, leiden derzeit 4,4 Millionen der 20,4 Millionen Bewohner Hunger, schilderte die Malawi-Nationalkoordinatorin von "Mary's Meals", Angela Chipeta-Khonje, am Mittwochabend bei einem Wiener Pressegespräch zum 15-Jahr-Jubiläum des Hilfswerks in Österreich. Gemeinsam mit ihr stand auch der Gründer und Geschäftsführer der Schulernährungsinitiative, Magnus MacFarlane-Barrow, Rede und Antwort.
Gleich mehrere Wochen lang hatte im Februar und März der Tropensturm "Freddy" den Süden Malawis und das benachbarte Mosambik heimgesucht, begleitet von heftigen Regenfällen. Er forderte nicht nur hunderte Todesopfer, sondern spülte auch 179.000 Hektar Ackerland weg und machte 650.000 Menschen zu Binnenflüchtlingen. Schon 3,9 Millionen Menschen hatten vorher Hunger gelitten, mittlerweile sind es 4,4 Millionen, wobei sich die Situation laut Prognosen bis zur nächsten Erntesaison im März 2024 noch weiter verschlimmern dürfte.
Auf besondere Weise gefordert ist dadurch das Hilfswerk Mary's Meals, dessen Ziel es ist, Kindern aus Ländern des Globalen Süden eine kostenlose warme Schulmahlzeit bereitzustellen. 2,4 Millionen Schülerinnen und Schüler aus 18 Krisenländern werden derzeit weltweit an jedem Schultag versorgt; davon eine Million in über 1.000 Schulen Malawis, dem Gründungs- und Hauptland von Mary's Meals, das dort mit der Regierung kooperiert. "Wir ernähren fünf Prozent der Bevölkerung Malawis - und zeigen mit der Förderung des Schulbesuchs einen Weg aus der Armut auf", sagte Chipeta-Khonje. Die Schulmahlzeiten seien eine "direkte Investition in das Humankapital des Landes".
Die Wirkung in Malawi ist enorm, schilderte Mary's -Meals-Gründer MacFarlane-Barrow. "Die Zahlen der Schulabbrecher sinken dramatisch und die Anwesenheit im Unterricht steigt um 25 Prozent, wenn eine Schule Mahlzeiten anbietet - denn viele Eltern schicken die Kinder nur deshalb, damit sie dort etwas zu essen bekommen", so der Schotte. Nach 20 Jahren gebe es viele Erfolgsgeschichten - wie frühere Mary's Meals-Empfänger, die heute selbst Lehrer oder Spender seien. "Auch der Tennis-Sieger der Special Olympic World Games 2023 in Berlin, Patrick Sichamba, bekam als Kind Mary's Meals und sagt, er wäre sonst nie Sportler geworden", ergänzte Chipeta-Khonje.
Lange Warteliste für Schulen
Doch nicht nur in Malawi, sondern auch weltweit hat der Hunger seit 2018 bedrohlich zugenommen. Mehr als 100 Millionen Menschen sind heute davon betroffen - 30 Millionen mehr als damals, als die Zahlen nach Fortschritten bei der Hungerbekämpfung viele Jahre lang immer rückläufig waren. "Konflikte, der Klimawandel, die Pandemie, die Wirtschaftskrisen und die Teuerung haben dazu geführt, dass Menschen dort hungern, wo es schon vorher Armut und Mangelernährung gab", erklärte MacFarlane-Barrow. Auch seinem Hilfswerk setzten die Preissteigerungen zu. Es gab einen Aufnahmestopp für interessierte Schulen, deren Warteliste immer länger wurde.
Dennoch hat sich das sehr einfache Konzept von Mary's Meals gerade in der turbulenten Zeit bewährt. Herzstück des Programms sind über 100.000 Freiwillige - meist die Mütter -, die in den Schulen vor Ort das Essen für die Kinder kochen. Aufs Teller kommt ein nahrhafter Brei, der je nach lokaler Gegebenheit aus Porridge, Mais, Weizen oder Bohnen besteht und mit Vitaminen und Nährstoffen angereichert ist. Die NGO baut die Schulküche und stellt alle Zutaten bereit, wobei im jeweiligen Land eingekauft wird - mit Geld aus Spendenländern wie Österreich. 22 Euro kostet es bei der Hilfsorganisation im Schnitt, um ein Kind ein Jahr lang täglich zu versorgen - 730 Euro für eine gesamte Schulklasse.
MacFarlane-Barrow berichtete von positiven Wirkungen auf vielen Ebenen: Etwa, dass durch den Einkauf vor Ort - 75 Prozent der Zutaten stammen aus dem jeweiligen Land - Kleinbauern und Frauenkooperationen mit garantierter Abnahme ihrer Erzeugnisse unterstützt werden. "Im Südsudan haben es viele ehemalige Soldaten auf diese Weise geschafft, ein neues Leben als Bauern zu beginnen", schilderte der Initiator der Hilfsorganisation. Dass ausschließlich Einheimische die Initiative tragen, ermöglicht es Mary's Meals, selbst in der vom Bürgerkrieg zerstörten Tigray-Region in Äthiopien zu expandieren. Chipeta-Khonje berichtete, dass der dank Mahlzeiten gestiegene Schulbesuch in Malawi auch dem Problem der Kinderheirat entgegenwirkt.
Bewegung des Miteinander-Teilens
Hunger sei "das am leichtesten zu überwindende Übel unserer Zeit", unterstrich bei der Pressekonferenz der Obmann von Mary's Meals Österreich, Christian Stelzer. Viele Krankheiten seien viel schwerer zu bekämpfen und erforderten riesige Investitionen. "Wenn ich die vielleicht 100 Millionen Kinder, die derzeit wegen Hunger nicht zur Schule gehen, mal 22 Euro rechne, ist die Summe global gesehen winzig", so der Wiener Allgemeinmediziner. Die Botschaft von Mary's Meals sei, dass kleine Anstrengungen reichten, um den Hunger so wie einst die Pocken auszurotten - "und zwar mit dem Prinzip: Diejenigen, die zu essen haben, teilen mit denen, die hungern."
Dass Mary's Meals "eine Bewegung, nicht einfach irgendeine Charity" ist, brachte die Österreich-Geschäftsführerin Klara Heidlberger zum Ausdruck. Viele Menschen hätten seit Beginn der Initiative in Österreich 2008 eigene Spendenaktionen gestartet, um das gemeinsame Anliegen zu unterstützen, darunter auch viele Kinder. Beispiele seien Kuchen-Verkäufe in Schulen, Schultaschen-Sammelaktionen, Benefizkonzerte junger Künstler, Teilnahmen an Laufevents, die Unterstützung Prominenter wie Starkoch Helmut Österreicher sowie Spenden bei dem stets im September stattfindenden Medjugorje-Friedensgebet im Wiener Stephansdom. "Jeder bringt sein Talent ein", so Heidlberger. (Infos: www.marysmeals.at)
Quelle: kathpress