Frauenbewegung gegen Modell weibliche "Rund-um-die-Uhr-Versorgerin"
Vom "stereotypisierten Rollenbild" der "Frau als Rund-um-die-Uhr-Versorgerin von Haushalt, Kindern, Pflegebedürftigen" hat sich die Katholische Frauenbewegung (kfbö) distanziert. Diesen seit Jahrhunderten propagierten "patriarchalen Mythos" gelte es "durch die aktive Konfrontation mit einem gerechten Gegenmodell außer Kraft zu setzen", forderte kfbö-Vorsitzende Angelika Ritter-Grepl in einer Aussendung zum internationalen "Equal Care Day", der heuer am 29. Februar begangen wird. Die größte Frauenorganisation Österreichs rief aus diesem Anlass zur öffentlichen Diskussion über die nach wie vor ungleiche und zu Ungunsten von Frauen aufgeteilte Sorgearbeit auf.
Dass der 2016 begründete Equal Care Day diesmal auf einen nur alle vier Jahre auftretenden Schalttag fällt, ist für die kfbö symbolträchtig: Das Verhältnis 4:1 verweise auf die von weitaus mehr Frauen als Männern verrichtete Care-Arbeit. Zwar zeige die jüngste Zeitverwendungsstudie der Statistik Austria eine Verbesserung im Ungleichgewicht unbezahlter Haushalts- und familiärer Versorgungsaufgaben: Die 2021 und 2022 untersuchten 4.300 österreichischen Haushalte erbrachten ein Verhältnis von knapp 2:1. Doch sei damit immer noch von einer doppelt so hohen Belastung von Frauen auszugehen, wenn es um die Aufwendung außerberuflicher Zeit für Alltagsbesorgungen und Fürsorgeleistungen geht.
Dieser Zustand muss dauerhaft diskutiert und verbessert werden, forderte Ritter-Grepl. Die Katholische Frauenbewegung sei hier mit verschiedenen Maßnahmen und Aktionen in allen Diözesen des Landes selbst um Bewusstseinsschärfung im Hinblick auf männliche und weibliche Rollenklischees bemüht und engagiere sich für eine gerechtere Aufgabenverteilung. Als Beispiel wurde in der kfbö-Aussendung ein Forumtheater "Act for Care!" nach der Methode des brasilianischen Regisseurs Augusto Boal genannt, zu dem die kfb Wien am 29. Februar einlädt. Das Publikum könne dabei selbst in die Rolle von unterdrückten Figuren schlüpfen und eigene Lösungsansätze entwickeln (https://tdu-wien.at/Veranstaltung/act-for-care-forumtheaterauffuehrung).
In der Diözese Linz werde am Equal Care Day mit der Aktion "Fair statt prekär" die fiktive Schutzfigur Santa Precaria gewürdigt (https://www.dioezese-linz.at/institution/8086/aktuelles/article/257719.html) und auf dem Youtube-Kanal der Diözese Innsbruck wirbt die in der Corona-Zeit entstandene Initiative "Männer macht mehr daheim!" für häusliche Carearbeit (https://www.youtube.com/watch?v=J6XpY8dlU4Q).
Punktuelle Aktionen nicht ausreichend
Punktuelle Aktionen und Veranstaltungen sind nach Überzeugung der kfbö allerdings nicht ausreichend für Sensibilisierung und anhaltende Bewusstseinsarbeit. Ritter-Grepl sieht hier auch die Politik in der Pflicht, im Schulunterricht und durch kontinuierliche Kampagnen "das Bild vom Mann als Care-Arbeiter selbstverständlich werden zu lassen". Erst wenn deutlich mehr Männer auch Betroffene sind, sei eine faire Verhandlungsbasis für die Vergütung privater Pflegeleistungen zu erwarten und werde sich in der Folge das Gleichgewicht der Rollenverteilungen auch in soziopolitischen und ökonomischen Entscheidungen abbilden.
Laut der Katholischen Frauenbewegung sollte auch in der Kirche von Männern ausgeübte Care-Arbeit suchtbarer werden. Beispiele wie die Pflegeorden der Barmherzigen Brüder des Johannes von Gott oder der Kamillianer, aber auch zahlreiche Heiligengestalten würden sich um kranke und alte Menschen kümmern, "weil es dabei nicht um eine geschlechterabhängige, sondern um eine christliche Verantwortung gegenüber unseren Mitmenschen geht".
Papst: Vater wird man im Sich-Kümmern
Die kfbö-Vorsitzende berief sich auch auf Papst Franziskus, der 2020 in seinem apostolischen Schreiben "Patris Corde" deutlich gemacht habe, dass ein Sich-Kümmern auf allen Beziehungsebenen niemandem angeboren sei , sondern erst in der Ausübung entstehe. Über die Verantwortung der Väter in der Kindererziehung schrieb das Kirchenoberhaupt damals: "Als Vater wird man nicht geboren, Vater wird man. Und man wird zum Vater nicht einfach dadurch, dass man ein Kind in die Welt setzt, sondern dadurch, dass man sich verantwortungsvoll um es kümmert."
Diese Aufforderung erhalte im Kontext des Equal Care Day eine besondere Dringlichkeit, betonte Ritter-Grepl. Die kfbö regte an, dass jede und jeder Einzelne über seine und ihre gelebten Rollen im Kontext des familiären Miteinanders reflektiert. "Nur wenn wir bei uns selbst damit anfangen, das eigene Verständnis und Ausüben von Partnerschaft, Mutter-/Vaterschaft, Geschwisterschaft auf Fairness hin zu überprüfen, haben wir Aussicht auf gesellschaftliche Veränderungen", schloss Ritter-Grepl.
Quelle: kathpress