Kardinal Schönborn: Ökumene lebt von echten Freundschaften
Mit einem Gottesdienst im Wiener Stephansdom und einem Festakt im Erzbischöflichen Palais wird am Mittwoch, 13. März, zugleich der 20. Todestag von Kardinal Franz König (1905-2004) und das 60-Jahr-Jubiläum der Stiftung Pro Oriente begangen. Die Stiftung wurde von König 1964 gegründet. Kardinal Christoph Schönborn steht aktuell dem Kuratorium der Stiftung vor. Im Interview mit der Nachrichtenagentur Kathpress (Sonntag) würdigte Kardinal Schönborn die früheren Verdienste und aktuelle Initiativen von Pro Oriente. Dabei hielt der Wiener Erzbischof fest: "Ökumene lebt sehr entscheidend von echten Freundschaften."
Solche Freundschaften habe Kardinal König selbst sehr intensiv gepflegt und "so habe ich es durch alle die Jahrzehnte versucht. Denn: Persönliche Freundschaft ist immer eine ganz entscheidende Brücke, um sich unter Christen, die kirchlich getrennt sind, menschlich und gläubig zu verstehen." Von den bisher 60 Jahren habe er die Stiftung lange Zeit begleiten können, so Schönborn, "eine Zeit lang als Mitglied des Vorstands, als ich noch Professor in der Schweiz war, und dann als Erzbischof von Wien seit 1995".
Die ursprüngliche Arbeit von Pro Oriente sei sehr stark orientiert gewesen auf die Erstellung von Dokumenten, die eine wachsende Übereinstimmung zwischen der römisch-katholischen Kirche und den Ostkirchen festhalten sollten. Ökumene sei inzwischen einerseits selbstverständlich geworden, so Schönborn, andererseits gebe es aktuell innerhalb der Orthodoxie große Spannungen.
Schönborn würdigte weiters die seit einigen Jahren laufende Initiative der Stiftung, junge Theologinnen und Theologen aus Ost und West zusammenzubringen: "Damit sie einander begegnen, miteinander studieren, miteinander diskutieren, und damit auch Freundschaften entstehen können."
Nun würde sich Pro Oriente auch verstärkt der bedrängten Christen im Nahen Osten annehmen, so Schönborn: "Ich habe das mit großer Dankbarkeit wahrgenommen und auch unterstützt." Der Kardinal hob vor allem die Workshops hervor, die die Stiftung seit rund zwei Jahren mit Jugendlichen aus dem gesamten Nahen Osten durchführt: "Wir konnten feststellen, dass die Christen des Nahen Ostens, die alle unter bedrängten Situationen leben, immer mehr zu Minderheiten werden, sich untereinander viel zu wenig kennen, untereinander zu wenig Beziehungen haben." So sehe Pro Oriente hier eine neue Aufgabe.
Versöhnung, Friede, Gemeinwohl
Pro Oriente-Präsident Alfons Kloss hielt gegenüber Kathpress zum Jubiläum fest, dass man voll Dankbarkeit auf die Jahrzehnte fruchtbarer ökumenischer Tätigkeit mit dem Ziel einer größeren Einheit der Christenheit zurückblicken könne. "Diese bewährte Arbeit wollen wir im Sinne unseres Gründers Kardinal König bestmöglich fortsetzen." Zugleich erscheine es angesichts der großen globalen Herausforderungen "dringend notwendig, dass wir uns gemeinsam mit unseren Schwesterkirchen des Ostens auf der Basis der uns alle verbindenden Frohen Botschaft sehr konkret für Versöhnung, Frieden und das Gemeinwohl in unseren Gesellschaften einsetzen." Auf diesem Weg wolle Pro Oriente in besonderer Weise "die Jugend in unseren Kirchen einbeziehen", so Kloss.
Gedenk- und Jubiläumsgottesdienst
Dem Gedenk- und Jubiläumsgottesdienst am 13. März um 18 Uhr im Wiener Stephansdom wird Kardinal Christoph Schönborn vorstehen. Aus Rom wird Kurienkardinal Kurt Koch erwartet, Präfekt des Dikasteriums zur Förderung der Einheit der Christen. Ihr Kommen zugesagt haben u.a. auch der griechisch-orthodoxe Metropolit Arsenios (Kardamakis), der armenisch-apostolische Bischof und Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich Tiran Petrosyan sowie der für Österreich zuständige rumänisch-orthodoxe Metropolit Serafim (Joanta). Dazu kommen zahlreiche weitere Vertreterinnen und Vertreter aus den verschiedenen Kirchen, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft im Land.
Neben der Erzdiözese Wien und Pro Oriente ist als Kooperationspartner auch die Kardinal-König-Stiftung in Vorbereitungen und Ablauf des Gottesdienstes eingebunden. Im Rahmen der Messe wird für alle verstorbenen Förderer, Protagonisten und Mitglieder der beiden Stiftungen gebetet. Als letztes Gründungsmitglied von Pro Oriente ist im vergangenen September mit 94 Jahren Adolf Bayer verstorben. Er war auch in der Kardinal-König-Stiftung aktiv, die sich ganz der Bewahrung und Fortschreibung des ideellen Erbes von Kardinal König verpflichtet hat.
Musikalisch gestaltet wird der Gottesdienst von Thomas Dolezal mit Reminiszenzen an den Begräbnisgottesdienst für Kardinal König im März 2004, dem damals Kardinal Joseph Ratzinger als Dekan des Kardinalskollegiums vorgestanden war. Der rumänisch-orthodoxe Chor "Hl. Andreas" wird mit Gesängen aus der byzantinischen Liturgie die Messe mitgestalten. Das "Vater Unser" wird die Solistin Diana Abu Nader in syrisch-aramäischer Sprache vortragen. Im Anschluss an die Messe besteht die Möglichkeit, das Grab von Kardinal König in den Katakomben des Stephansdoms aufzusuchen.
Franz König wurde am 3. August 1905 in Rabenstein/Pielach geboren und 1956 Erzbischof von Wien. Als prägende Gestalt des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) setzte er sich unter anderem besonders für den ökumenischen und interreligiösen Dialog ein. Papst Paul VI. berief ihn 1965 zum Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Nichtglaubenden, den er bis 1981 leitete. 1985 nahm Papst Johannes Paul II. Königs Rücktrittsgesuch als Erzbischof von Wien an. Er starb in den frühen Morgenstunden des 13. März 2004 im Alter von 98 Jahren in Wien.
60 Jahre Pro Oriente
Wenige Tage, bevor die Bischöfe auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil 1964 das Ökumenismusdekret "Unitatis Redintegratio" verabschiedeten, gründete Kardinal König als damaliger Wiener Erzbischof am 4. November die Stiftung Pro Oriente, die sich von Beginn an der Überwindung der Ost-West-Grenzen, vor allem im kirchlichen, aber auch im außerkirchlichen Bereich, verschrieben hat. Wien galt als Brücke zum Osten, dies wusste Kardinal König zu nutzen und konnte so bereits zu Zeiten des Kalten Krieges ein weitreichendes Netzwerk aufbauen, das sich bis heute als tragfähig erwiesen hat. Im Laufe der Jahre weitete die Stiftung ihre Aktivitäten auf ganz Österreich aus. Drei Sektionen wurden gegründet: 1985 in Salzburg, 1987 in Linz und Graz.
Bei einem Festakt im Anschluss an den Gottesdienst (bereits ausgebucht) am Mittwoch wird Kurienkardinal Koch im Wiener Erzbischöflichen Palais zum aktuellen Stand der ökumenischen Dialoge mit den orthodoxen und orientalischen Kirchen sprechen, und dabei auch über das Wirken von Pro Oriente reflektieren.
Die Stiftung leistete und leistet auf vielfältige Weise Pionierarbeit in der Förderung des Dialogs zwischen den Kirchen in Ost und West. Pro Oriente engagiert sich vor allem im inoffiziellen Dialog zwischen der katholischen Kirche und den orthodoxen bzw. orientalisch-orthodoxen Kirchen und trägt so dazu bei, verloren gegangenes Vertrauen zwischen den Kirchen zurückzugewinnen und die offiziellen Begegnungen und Dialoge vorzubereiten.
Theologie, Dialog, Friedensarbeit
Pro Oriente führte bald nach der Gründung strukturierte Gespräche mit den orientalisch-orthodoxen Kirchen und den orthodoxen Kirchen. Heute findet die Dialog- und Zusammenarbeit mit Vertreterinnen und Vertretern dieser Kirchen in der "Kommission für orthodox-katholischen Dialog" und der "Kommission für Ökumenische Begegnung zwischen den Orientalisch-orthodoxen Kirchen und der Katholischen Kirche" statt. Nach der politischen Wende in Europa 1989 wurden zahlreiche ökumenische Friedensinitiativen gesetzt, dazu kamen mehrere primär historisch oder theologisch ausgerichtete Kommissionen, die geschichtliche und theologische Problemfelder zwischen den Kirchen aufarbeiteten. Seit den 1990er-Jahren verstärkte Pro Oriente den Dialog mit den Kirchen der syrischen Tradition, in den auch die jeweiligen katholischen Schwesterkirchen eingebunden sind, und der bis heute in dem in dieser Form weltweit einzigartigen "Forum Syriacum" gepflegt wird.
In den vergangenen Jahren hat sich Pro Oriente zum einen in den Synodalen Prozess der Katholischen Kirche eingebracht und mit internationalen Symposien in Rom die Erfahrungen der Ostkirchen mit Synodalität beleuchtet. Zum anderen wird die ökumenische Friedensarbeit fortgesetzt (durch das Projekt "Healing of Wounded Memories"). Ein wesentliches Standbein ist zudem die ökumenische Arbeit mit Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen, vor allem im bzw. aus dem Nahen Osten. In Workshops sollen die jungen Erwachsenen befähigt werden, Kirche und Gesellschaft in ihren Herkunftsländern positiv mitzugestalten. Vom 9. bis 14. März findet - begleitend zum Pro Oriente-Jubiläum - ein Workshop in Wien statt, der orthodoxe und orientalisch-orthodoxe junge Erwachsene aus ganz Europa zusammenbringt.
Quelle: kathpress