Ausstellung "Völkersterben?!" erinnert an Ordens-Ethnologen
100 Jahre ist es her, dass der Steyler Missionar P. Martin Gusinde (1886-1969) seine vierte und letzte Missions- und Forschungsreise an die Südspitze Amerikas unternahm und mit den dort lebenden Völkern in Kontakt trat. Zum Jubiläum widmet sich eine Ausstellung im Kreuzgang des Missionshauses St. Gabriel in Maria-Enzersdorf bei Mödling dem Leben und Wirken des Ethnologen, Priesters und Universitätsprofessors. Die am 7. April startende Schau "Völkersterben?!" spannt einen Bogen von Gusinde bis zum Überlebenskampf und Widerstand indigener Völker heute, wobei auch der Einsatz der Steyler Missionare und Missionsschwestern für diese Gruppe gezeigt wird.
Allerhand Spektakuläres bieten die sich insgesamt über sechs Jahre (1918 bis 1924) erstreckenden Feuerland-Reisen von P. Gusinde: Der Ordensmann erforschte die Völker der Kawesqar, der Selk'nam, an deren geheimen Männerprozessionen er teilnahm, sowie auch der Yagan, bei denen er sogar Stammesmitglied wurde. Er teilte das Leben der Indigenen, sammelte Artefakte, machte Tonaufnahmen, dokumentierte seine Erlebnisse fotografisch und publizierte seine Forschungen im vierbändigen Werk "Die Feuerland-Indianer". Zugleich trat der Missionar als Anwalt der Feuerländer auf und versuchte die Öffentlichkeit für deren schon damals vor sich gehende "Völkersterben" zu sensibilisieren.
Zu Gusindes Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts waren die Feuerland-Indianer vom Aussterben bedroht. Ursache waren von den "Weißen" eingeschleppte oder gezielt verbreitete Krankheiten, der Verlust der Jagdgebiete an weiße Farmer und Fischer sowie die Ausbeutung von Rohstoffreserven, die den Indigenen ihren Lebensraum nahmen und ihren Tod besiegelten. Gusinde trat dagegen auf und prangerte den "gewissenlosen Kapitalismus" und die "maßlose Gewinnsucht" der Europäer an, in denen er die Ursachen für das Völkersterben sah.
Parallelen zu heute
"Die Ursachen für dieses 'Völkersterben' ähneln in vielem dem, was indigene Völker heute rund um den Globus erleiden müssen", erklärte P. Franz Helm, der die nunmehrige Ausstellung zusammen mit einem Team konzipiert hat, im Ankündigungstext. Um auch die aktuelle Situation der Feuerland-Indianer einzubinden, wurde bei der Vorbereitung der Schau Kontakt zu dortigen indigenen Gemeinschaften - den direkten Nachkommen der von Gusinde beforschten Völker - aufgenommen. Auch ein von einer Selk'nam mit traditioneller Technik geflochtener Korb sowie eine Auswertung der Gusinde-Privatsammlung durch eine Aktivistin dieses Volkes ist Teil der Schau, zudem wurde diese Sammlung von zwei argentinischen Anthropologinnen digitalisiert.
Die Objekte der Ausstellung setzen sich aus dem in St. Gabriel befindlichen Nachlass P. Gusindes zusammen, ergänzt durch Schautafeln, Fotos, Audiostationen, Touchscreens und Filme. Das Leben des Steyler Missionspriesters und Forschers wird durchaus auch kritisch beleuchtet, darunter vor allem sein problematisches Wirken im NS-Regime. "Neuere Forschungen belegen, dass Gusinde sich nicht scheute, für eine akademische Karriere dem Naziregime gegenüber Loyalität zu versprechen und auch Vermessungen an Kriegsgefangenen durchzuführen", erklärte P. Helm.
Erstellt wurde die Schau in Zusammenarbeit der Missionsprokur St. Gabriel International, der Kommission "Gerechtigkeit, Friede und Bewahrung der Schöpfung", der Mitteleuropäischen Provinz der Steyler Missionare sowie des Missionshauses St. Gabriel.
Die im Kreuzgang von St. Gabriel befindliche Ausstellung startet am 7. April um 16 Uhr und ist dann montags bis freitags von 8 bis 14 Uhr, samstags von 8 bis 12 Uhr und sonntags oder feiertags von 10 bis 11.30 Uhr geöffnet. Nach Vereinbarung sind auch davon abweichende Öffnungszeiten sowie Führungen für Gruppen möglich. Als Eintritt werden freiwillige Spenden entgegengenommen. (Tel. 02236/803 oder kommunikation@steyler.eu)
Quelle: kathpress