Down-Syndrom-Tag soll "Schluss mit Vorurteilen" machen
Für ein "Schluss mit den Vorurteilen" gegenüber Menschen mit Down-Syndrom wird am Donnerstag in Österreich wie auch weltweit mobil gemacht: Selbsthilfegruppen, Hilfsorganisationen und kirchliche Einrichtungen stellen an dem 2012 von der UNO eingeführten Welt-Down-Syndrom-Tag die Vielfalt des Lebens in den Mittelpunkt und werben um bessere Akzeptanz, Rücksichtnahme und Inklusion. Rund um das besondere Datum - der 21.3. bezieht sich darauf, dass bei Betroffenen das Chromosom Nr. 21 drei- statt zweimal vorhanden ist - gibt es im Wiener Stephansdom und anderen Kirchen auch inklusive Gottesdienste. Menschen mit Trisomie-21 und ihre Unterstützer richten sich mit Forderungen an die Politik, zudem werden Hilfsangebote für Betroffene und ihre Familien bekannt gemacht.
Um Sichtbarmachung des Welttags und bessere Inklusion ist der Selbsthilfe-Verein "Down-Syndrom Österreich" bemüht. "Wir möchten aufklären und informieren und unseren Mitmenschen mit dem Extra-Chromosom den Zugang zu Bildung und zur Arbeitswelt verbessern. Zur Inklusion gehört auch "das selbstverständliche Dabeisein und Mitmachen in der Gesellschaft für alle Menschen mit Behinderungen", ist dazu auf der Homepage zu lesen. Im Rahmen einer Posteraktion unter dem Motto "Ich habe mehr (Chromosomen) - ich will mehr (Chancen)" werden eingesandte Bilder im Internet und auf Social Media veröffentlicht. Auch das Familiennetzwerk Down-Syndrom betreibt eine Posteraktion mit dem Titel "Ich bin GEN.ial anders".
Viel ungenutztes Potenzial
Mehr Inklusion in Schule und Beruf sowie faire Entlohnung für Menschen mit Behinderungen - egal ob am regulären oder am geschützten Arbeitsmarkt - fordert die evangelische Diakonie. "Menschen mit Behinderungen begegnen immer noch Vorurteilen, was ihre beruflichen Fähigkeiten angeht", hält Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser in einer Aussendung fest. Viele Talente und Fähigkeiten von Menschen mit Behinderungen blieben ungenutzt, was laut Moser "nicht zuletzt eine Verschwendung in Zeiten steigenden Personalmangels" sei. Die von der Regierung angekündigten Förderungen für den Berufseinstieg in den regulären Arbeitsmarkt seien ein "guter erster Schritt", vonnöten seien aber mehr Anstrengungen in ein inklusives Schulsystem vom Kindergarten bis zur Hochschule sowie ein "wirklich inklusiver Arbeitsmarkt".
Auf dem Weg dahin ist nach den Mosers Worten eine Kombination aus Lohn und Sozialleistungen nötig, mit Maßnahmen wie pflege-geschulten Assistenzpersonen, Fokus auf Fähigkeiten statt Defizite, möglicher Rückkehr in geschützte Werkstätten bei gescheiterter Aufnahme in den ersten Arbeitsmarkt sowie auch der Möglichkeit des Wechsels zwischen unterstützter Beschäftigung und selbstständigern Tätigkeit sowie vor allem faire Entlohnung. Inklusive Bildung dürfe nicht mit der Pflichtschule enden und der Lehrplan für Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf solle ausgeweitet werden. Für die Finanzierung der Unterstützungsleistungen schlug die Diakonie-Direktorin die Errichtung eines "Inklusionsfonds" vor.
"Der brave Andi"
Ein Beispiel für heutige Möglichkeiten und Grenzen der beruflichen Inklusion liefert die Caritas Oberösterreich in einer Aussendung. Andreas Scharinger (29) lebt seit 17 Jahren in der Caritas-Wohngruppe St. Pius in Steegen bei Peuerbach (Bezirk Grieskirchen). Neben seiner langjährigen Tätigkeit in der dortigen Technischen Werkstatt St. Pius arbeitet er seit Kurzem auch als "integrativ Beschäftigter" drei Tage pro Woche im Altersheim in Peuerbach. Von allen "der brave Andi" genannt, hilft er selbstständig, Betten zu machen, Zimmer zu putzen oder Geschirrspüler einzuräumen. Gerne malt oder spielt er mit den Bewohnern Brettspiele, wird als hilfsbereit, gesellig und kontaktliebend beschrieben und gilt allgemein als große Bereicherung.
Scharinger habe seinen größten Wunsch erfüllt, "echte" Arbeit am ersten Arbeitsmarkt im Sozialbereich zu finden und seine Fähigkeiten einzubringen, erklärt in der Aussendung Caritas-Vorstand Stefan Pimmingstorfer. Ein Wermutstropfen sei jedoch, "dass Menschen mit Beeinträchtigung sowohl in der integrativen Beschäftigung als auch in den sozialen Werkstätten zurzeit nur ein monatliches Taschengeld erhalten statt einen Lohn - so wie es eigentlich im Programm der Bundesregierung stehen würde". Dabei gehe es nicht nur um ein Grundgehalt, sondern vor allem um Sozialleistungen wie Kranken- und Pensionsversicherung. Dies würde "vor allem den Eltern von Menschen mit Beeinträchtigung eine große Last von den Schultern nehmen", so der Caritas-Vorstand.
Begegnungstag und Freizeitprogramm
Die Erzdiözese Salzburg macht in einer Aussendung auf eine Veranstaltung im Salzburger Europapark aufmerksam. Zwischen 9 und 19 Uhr kann man am Donnerstag mit Familien mit Kindern mit Down-Syndrom sprechen, Informationen erhalten und ein buntes Programm mit Kinderschminken, Rote-Nasen-Clowns sowie Chor- und Trommeldarbietungen erleben. Unter dem Motto "Leben heißt Vielfalt" will der Verein "Down-Syndrom Salzburg" Begegnungsmöglichkeiten für Betroffene und deren Familien in Salzburg und Umgebung schaffen. Dazu gehört auch eine regelmäßige Spielgruppe für Kinder und Eltern beim diözesanen Referat für Ehe und Familie. Neben Austausch und gegenseitiger Beratung würden hier "Freundschaften fürs Leben" geschlossen, sagte Vereinsobfrau Maria Loos im Salzburger "Rupertusblatt".
Vom Projekt "AllWinclusive" berichtete die Referentin für Pastoral mit Menschen mit Behinderungen in der Erzdiözese Salzburg, Barbara Schubert. Für junge Menschen mit Down-Syndrom und anderen Behinderungen werden inklusive Veranstaltungen sowie Begleitungen mit Gleichaltrigen ohne Behinderung organisiert - in der Freizeit und besonders in den Ferien. Das im Austausch mit den Teilnehmern und ihren Familien erstellte Programm reicht von Tanzgruppen über Kino- und Theaterbesuche, Koch- und Backworkshops, Wandern, Schwimmen bis hin zu Museumsbesuchen.
Mehr Inklusion auch in Kirche nötig
Bereits am Sonntag fand ein Festgottesdienst mit Weihbischof Franz Scharl zum Welt-Down-Syndrom im Wiener Stephansdom statt. Die Gesellschaft und auch die katholische Kirche seien "immer noch auf dem Weg, vollständig inklusiv zu sein", stellte Anamarija Sobocanec Sostaric, Leiterin der Seelsorge für Menschen mit intellektueller und mehrfacher Behinderung in der Erzdiözese Wien, bei der Begrüßung fest. Menschen mit Down-Syndrom seien ebenso wie ihre Eltern und Begleitpersonen "Heldinnen und Helden", durch die das gemeinsame Gottesdienst-Feiern selbstverständlich werden müsse. Dafür brauche es auch "Texte in leichter Sprache, andere Formen des Glaubensausdrucks wie zum Beispiel Tanz, Pantomime und verschiedene andere Mitteln, die uns allen guttun", so Sobocanec Sostaric. Nachsatz: "Eines Tages werden wir auch solche Welttage nicht mehr benötigen."
Wie eine inklusive religiöse Feier aussehen kann, wurde im Stephansdom deutlich. Der Bildungs- und Kulturverein "Ich bin O.K.", der schon zuvor am Stephansplatz eine Tanzperformance dargeboten hatte, lieferte einen Einstimmungstanz. Die Glaubens- und Musikgruppe "Faith4U&me" hatte die grafische Gestaltung eines Plakats vorbereitet, zudem verantwortete sie gemeinsam mit der Veeh-Harfen-Gruppe "Saitensalat" unter der Leitung von Marianne Fiebiger die musikalische und inhaltliche Gestaltung. Auch unter den Ministranten fanden sich Menschen mit Down-Syndrom, und das Evangelium - "Das Weizenkorn bringt reiche Frucht" - wurde in Rollen in leichter Sprache mit Aktualisierungen und persönlichen Aussagen zu den eigenen Talenten dargestellt.
Beratung für Familien
Einen besonderen Schwerpunkt auf Kinder mit Behinderungen und ihre Familien gibt es seit dem Vorjahr beim von der Österreichischen Bischofskonferenz getragenen Institut für Ehe und Familie (IEF). Vor einem Jahr wurde das Beratungsangebot "FiLO" gestartet, bei dem Familien kostenlose juristische, finanzielle und psychosoziale Hilfe erhalten. Das Angebot werde gut angenommen, zog IEF-Direktor Johannes Reinprecht gegenüber Kathpress Zwischenbilanz. Besonders Fragen zum Behindertenpass und seine Zusatzeintragungen, zur erhöhten Familienbeihilfe, Pflegegeld und Hilfen sowie Entlastungen für die Eltern wie Pflegekarenz oder Familienhospizkarenz würden von den Ratsuchenden angesprochen.
Nicht nur zu Beginn der festgestellten Behinderung werde FiLO aufgesucht, so der IEF-Direktor weiter, sondern auch bei Nachfragen zu Kinderbetreuung oder integrativen Plätze in Schulen, später dann auch bei Problemen Jugendlicher etwa beim Ausbildungsplatz, in Sachen Freizeitassistenz oder rund um die erste eigene betreute Wohnung. Das Team FiLO helfe den Familien durch den "Dschungel der Förderungen und Hilfen", in Kooperation mit anderen Einrichtungen im Bereich von Hilfen für Familien, Kinder und Jugendliche mit Behinderungen. Jüngst gestartete regelmäßige Vernetzungstreffen sollen die Zusammenarbeit künftig noch verbessern.
Zwei verschiedene Socken am 21.3.
Auf der Website des IEF-Instituts finden sich viele Mitmach-Aktionen zum Welttag aufgelistet, auch auf globaler Ebene. So macht etwa die Vereinigung "Down-Syndrom International" den Kampf gegen Vorurteile zum Thema. In einem Video erklären Betroffene aus aller Welt, dass alle Menschen verschieden sind und als solche akzeptiert werden sollten. Stereotypen würden hingegen das Leben von Menschen erheblich erschweren. Auf die Unterschiedlichkeit jedes Menschen weist auch die "Lots Of Socks"-Kampagne hin, die zum Tragen verschiedenfarbiger Socken am 21. März einlädt. Geworben wird dabei auch für bessere Inklusion.
Die Chancengleichheit bei der medizinischen Versorgung steht im Zentrum der mittlerweile in 13. Auflage stattfindenden Down-Syndrom-Konferenz bei den Vereinten Nationen in New York, und auch die in den Sozialen Medien gestartete "Dear Doctor Campaign" der Plattform "EUforTrisomy21" hat sich diesem Anliegen verschrieben. Letztere will unter Ärzten Bewusstsein für die medizinischen Bedürfnisse von Menschen mit Down-Syndrom schaffen - durch Videos oder Fotos, die Betroffene auf Sozialen Medien hochladen und mit den Hashtags #DearDoctor und #MedEd versehen und somit ihre Erfahrungen teilen (Infos: www.eufortrisomy21.eu)
IEF-Direktor Reinprecht, selbst Vater einer siebenjährigen Tochter mit Down-Syndrom, hob hervor, dass Betroffene "wertvolle Mitglieder unserer Gesellschaft" seien, von denen man viel lernen könne - "etwa, im Hier und Jetzt zu leben". Eltern von Kindern mit Behinderung seien einer aktuellen Studie von "aks Gesundheit" stärker psychisch belastet und bräuchten Unterstützung - auch für die eigene mentale Gesundheit, so Reinprecht. (Info: www.ief.at/team-filo)
Quelle: kathpress