Was Christgläubige von Gender, Sexualmoral, Abtreibung halten
Wie werden Themen wie Gender, Frauenordination, Verhütung und Abtreibung, Homosexualität und Trauung gleichgeschlechtlicher Paare in christlichen Gemeinschaften aufgegriffen? Das ist Gegenstand des aktuellen Forschungsprojektes "Gender und die Bibel" des Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF), dem sich zwei Theologielehrende an Universitäten - die Grazer Religionswissenschaftlerin Nicole Bauer und der am Innsbrucker Institut für Bibelwissenschaften und Historische Theologie lehrende Andrew Doole - gemeinsam widmen. Beleuchtet werden dabei bis August 2026 katholische im Vergleich mit evangelikalen Gruppen, kündigte der FWF am Montag an.
Die österreichische Gesetzgebung zu den genannten Themenbereichen werde von Katholiken und Freikirchen oftmals kritisch wahrgenommen. Basis für die Argumentation und Legitimation ihrer Haltungen - ob befürwortend oder ablehnend - sei bei beiden Gemeinschaften letztlich der Glaube. Bisher wurden diese Diskurse hauptsächlich theologisch, also aus einer Innenperspektive, untersucht, wies Projektleiterin Bauer hin: "Wir wollen nun aus einer kultur- und sozialwissenschaftlichen Perspektive herausfinden, wie politische Beschlüsse in den beiden Religionsgemeinschaften rezipiert werden, wie darauf reagiert, wie diskutiert und wieder an die Politik rückgekoppelt wird."
An den Universitäten Graz und Innsbruck liefen die Vorbereitungen für diese "erste umfangreiche empirische Untersuchung römisch-katholischer und evangelikaler Gruppen in Österreich im Spannungsfeld von Politik und Religion", hieß es. In einem ersten Schritt seien je fünf österreichweit vertretene Gruppen pro Bekenntnis kontaktiert worden. "Die römisch-katholischen und evangelikalen Gruppen grenzen sich gewöhnlich stark voneinander ab, aber in der aktuellen politischen Lage finden sie sich vielleicht unerwartet auf der gleichen Seite wieder", so eine These der Forschenden.
Bauer und Doole setzen auf einen multimethodischen Ansatz: Geplant seien Inhaltsanalysen von Primärquellen wie Web- und YouTube-Auftritte, Podcasts und Publikationen. Zudem wurden Fragebögen für Leitungspersonen und Mitglieder erarbeitet. Auch teilnehmende Beobachtung bei Gottesdiensten, Gebetsgruppen und Gemeindeveranstaltungen werde Teil der Analyse.
Die katholische Kirche, historisch die stärkste in Österreich mit aktuell 55,2 Prozent der Gesamtbevölkerung, befindet sich laut der FWF-Aussendung mit einer gewachsenen Frauen- und LGBTIQ-Bewegung, liberaleren und konservativeren Tendenzen oder auch der Stellungnahme des Vatikans zur Segnung homosexueller Paare "in Bewegung". Die seit 2013 in Österreich anerkannten Freikirchen in Österreich seien "sehr aktiv", aber gemessen an der Möglichkeit, politischen und gesellschaftlichen Einfluss auszuüben, "eine Minderheit".
Der Wissenschaftsfonds FWF verfolgt seit mehr als 50 Jahren das Ziel, in Österreich Spitzenforschung zu ermöglichen. Was 1968 mit einem Budget von 37 Millionen Schilling und einigen wenigen Projekten begann, ist auf über 270 Millionen Euro und mehr als 2.700 geförderte Projekte im Jahr 2022 angewachsen, heißt es auf der FWF-Website. Ziel sei es, Forschende aller Disziplinen und auf jeder Karrierestufe themenoffen zu fördern. Das bis 2026 anberaumte Projekt "Gender und die Bibel" wird vom FWF mit 374.000 Euro gefördert.
Quelle: kathpress