Hilfswerke fordern Neuorganisation der Asyl-Grundversorgung
20 Jahre nach Einführung der Grundversorgung für Menschen im Asylverfahren fordern Österreichs in diesem Bereich tätige Hilfsorganisationen deren umfassende Reform. "Es braucht dringend ausreichende Kapazitäten für die Unterbringung, geeignete Unterkünfte, geregelte Übernahme zwischen Bund und Ländern, einheitliche Standards für die Betreuung, kostendeckende Finanzierung, eine Integration ab dem ersten Tag und leistbare Mobilität", fasste Caritas-Generalsekretärin Anna Parr als aktuelle Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt (BAG) bei einer Pressekonferenz in Wien am Montag zusammen.
Mit der Grundversorgung wurde im Mai 2004 auf Drängen der EU ein rechtlich geregelter Rahmen für geflüchtete Menschen geschaffen, die nach der Ankunft in Österreich und einer Erstabklärung zum Asylverfahren zugelassen sind. Waren in der bis damals geltenden "Bundesbetreuung" karitative Organisationen zuständig, teilen sich nunmehr Bund und Länder die Kompetenzen für die Unterbringung und Versorgung, auf die nun Rechtsanspruch besteht. In der Praxis gibt es mittlerweile allerdings erhebliche Probleme, wie die Hilfsorganisationen darlegten.
Parr verwies darauf, dass sich oft auch noch Menschen mit Schutzstatus und Arbeitsmarktzugang - wie etwa ukrainische Vertriebene - in Grundversorgung befänden, viele auch über längere Zeiträume, was so nicht vorgesehen sei. "Nur 17.250 der derzeit 74.740 grundversorgten Personen sind Asylwerber", so die Caritas-Generalsekretärin. Dadurch fehlten Unterbringungsplätze auf Landes- und Bundesebene. Verschlimmert werde die Situation durch "Koordinierungsschwierigkeiten", da viele Bundesländer nicht so viele Asylwerber übernähmen wie vereinbart, wodurch der Bund an seine Grenzen stoße. Vorhaltekapazitäten bräuchten einen "Puffer" für Zeiten mit akutem Mehrbedarf, forderte Parr.
Ungeeignete Quartiere
Dass auch Personen aus vulnerablen Gruppen wie Frauen, Kinder, Senioren oder Menschen mit Behinderungen oft keine für sie passenden Quartiere erhalten, kritisierte Diakonie-Direktorin Anna Katharina Moser. "Aktuell werden unbegleitet Kinder und Jugendliche oft monatelang in Bundes-Großquartieren statt in geeigneten Quartieren in den Bundesländern untergebracht." Statt speziellen Obsorge-Berechtigte, die sich um ihr Wohl kümmern, gebe es dort schlecht bezahlte "Remuneranten-Papas" aus den Reihen der Asylwerbenden - für Moser eine unhaltbare "Verletzung der in der Bundesverfassung festgelegten Rechts auf vorrangige Beachtung des Kindeswohls". Gute und bedarfsgerechte Unterbringung trage hingegen nach traumatischer Flucht erheblich zu Stabilisierung und schnellerer Integration bei, appellierte die Diakonie-Direktorin.
Zu den Vorschlägen der Hilfsorganisationen gehört die Schaffung einer Clearing-Stelle von Bund und Ländern, in denen gleich bei der Aufnahme der spezifische Bedarf festgestellt und eine Zuweisung zu geeigneten Quartieren ermöglicht werden kann. Volkshilfe-Chef Erich Fenninger forderte Verbesserungen beim Personal in der mobilen Betreuung, wo derzeit eine Person für 140 Menschen in Grundversorgung zuständig ist, durch mehr Sozialarbeiter und Sozialpädagogen. Leistungen der beteiligten Hilfsorganisationen, die für ihre Tätigkeiten häufig Spendenmittel einsetzten, müssten valorisiert und Öffnungs- und Schließkosten von Quartieren übernommen werden, sonst bleibe das einstige Erfolgsmodell der Grundversorgung eine "Mangelversorgung", bei der es um Ablehnung und Vertreibung statt um Aufnahme geht.
Deutschkurse, Arbeit und Mobilität
Vergleiche mit Profisportlern aus dem Fußball zog Bundesrettungskommandant Gerry Foitik vom Roten Kreuz, der sich für bessere Integrationsmaßnahmen ab dem Zeitpunkt der Ankunft aussprach. Ausreichender Zugänge zu Deutschkursen und frühe Perspektivenabklärung müssten garantiert sein, wäre doch die schnellere Integration der vorhandenen Talente in den österreichischen Arbeitsmarkt eine "Win-win-Situation" für die Betroffenen wie auch für die Gesellschaft. "Indem wir ihr Potenzial unterstützen, können wir die derzeit 110 Berufsgruppen umfassende Liste von Mangelberufen kürzer machen."
Auf die Notwendigkeit einer leistbaren Mobilität für Asylwerber verwies schließlich nochmals Caritas-Generalsekretärin Parr: Fehlender Fahrtkostenersatz etwa für Bewerbungsgespräche oder Praktika verhindere die Aufnahme einer Arbeitstätigkeit, besonders in ländlichen Gebieten. Das Vorarlberger Modell einer Freifahrt für Bezieher der Sozialhilfe bzw. Grundversorgung um 19 Euro monatlich sollte dabei österreichweit ausgerollt werden.
Ihren dringenden Appell richten die Spitzen der Bundesarbeitsgemeinschaft mit ihren Lösungsvorschlägen besonders an die Bundesländer: Viele Vereinbarungen scheiterten derzeit an deren Säumigkeit in der Umsetzung, was hier wie auch in anderen Bereichen zum Gefühl von "Ohnmacht und Stillstand" führe. "Ein Grundproblem ist, dass manche Zuständigen in den Ländern keine Aufnahme- und Integration verfolgen, sondern ein Wegtauchen", formulierte Volkshilfe-Chef Fenninger. Moser von der Diakonie appellierte dazu, das "Potenzial von Menschen auf der Flucht" stärker zu erkennen. "Wir alle haben etwas davon, wenn wir Integration ab dem ersten Tag fördern."
Quelle: kathpress