"Jugend Eine Welt": In Tigray verhungern Kinder
Das Hilfswerk "Jugend Eine Welt" berichtet von dramatischen Zuständen in der nordäthiopischen Provinz Tigray. "Es gibt in Tigray ein schweres Nahrungsmittelproblem. In den ländlichen Gebieten verhungern Kinder und ältere Menschen", so Wolfgang Wedan, Nothilfekoordinator von "Jugend Eine Welt", nach seiner Rückkehr aus Äthiopien. Der Katastrophenhelfer reiste vor wenigen Tagen in die Tigray-Region, um vor Ort konkrete Hilfsmaßnahmen für die vom mittlerweile beendeten Bürgerkrieg stark traumatisierte und notleidende Bevölkerung einzuleiten.
Wedan machte sich laut Aussendung u.a. ein Bild von den acht Camps für Binnenvertriebe. Mehr als eine Million Menschen können nach UN-Angaben nicht an ihren ursprünglichen Heimatort zurückkehren. Aktuell seien sie in ehemaligen Schulen, Kasernen und Fabriken sowie in provisorischen Flüchtlings-Camps untergebracht. "Durchschnittlich finden in jedem Camp zwischen 40.000 bis 50.000 Menschen Zuflucht. Die räumlichen und hygienischen Verhältnisse sind katastrophal. Um ein wenig Privatsphäre zu haben, werden Plastikplanen aufgehängt. Die Geflüchteten müssen auf engstem Raum leben. Väter, Mütter und Kinder schlafen teilweise auf dem Boden", so Wedan: "In einem der Flüchtlingslager hat es auf dem gesamten Gelände nur zwei Toiletten gegeben. Es bilden sich lange Schlangen. Jeder kann sich ausmalen, wie die hygienischen Zustände in und rund um das Camp sind."
Laut Schätzungen starben während des zweijährigen Tigray-Konflikts von 2020 bis 2022 rund 700.000 Menschen. Vor dem Bürgerkrieg zählte die Tigray-Region sieben Millionen Einwohner. "Viele Leute, mit denen ich vor Ort gesprochen haben, reden offen von einem Genozid", berichtete Wedan. So sollen die eritreischen Streitkräfte, die gemeinsam mit der Armee von Äthiopiens Regierung gegen die Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) kämpften, in einer großen Textilfabrik in der Nähe von Adwa rund 800 Jugendliche zusammengetrieben haben. "Zuerst mussten sie die ganze Halle für die Streitkräfte ausräumen, danach wurden sie alle erschossen", gab Wedan den Inhalt eines Gesprächs mit Tesfaselassie Medhin, Bischof von Adigrat, wieder. Darüber hinaus hätten nachweislich während des Bürgerkriegs Massenvergewaltigungen und Folter stattgefunden.
Wedan: "Die Bevölkerung ist traumatisiert. Kranke und Kriegsversehrte verlassen ihre Häuser nicht mehr, weil sie sich schämen. Es braucht dringend Hilfe. Nicht nur kurzfristig bei der Nahrungsmittel- und medizinischen Versorgung, sondern auch längerfristig bei den Themen sauberes Trinkwasser sowie Strom."
Ein weiterer großer Punkt sei der Schulbetrieb. In den Schulen werde mittlerweile wieder unterrichtet, "doch die Kinder haben keine Hefte, keine Stifte, um sich im Unterricht Notizen zu machen und so ihr Erlerntes auf Papier zu bringen". Darüber hinaus verschärft der Klimawandel die Situation der notleidenden Bevölkerung zunehmend. Viele Brunnen sind leer. Die extreme Hitze ließ Flüsse und Gewässer austrocknen. Wasser für die Landwirtschaft fehlt an allen Ecken und Ende. "Regnet es einmal, dann ist der Regen so stark, dass die Ernte zerstört wird", so Wedan.
Nach Angaben der nach dem Krieg eingesetzten Interims-Regionalverwaltung (IRA) von Tigray sind rund zwei Millionen Menschen in Tigray vom Hungertod bedroht, weitere 5,2 Millionen benötigen Nahrungsmittelhilfe.
(Infos: www.jugendeinewelt.at/)
Quelle: kathpress