Forscherin: Bekämpfung von Armut ist nicht nur Frage des Sozialbudgets
Wer Armut nachhaltig bekämpfen will, muss nicht nur die entsprechenden Geldmittel in die Hand nehmen oder die Sozialhilfe reformieren, sondern auch in Prävention, Bildung, Beratung und einen von Respekt geprägten Umgang mit armutsbetroffenen und -gefährdeten Menschen investieren: Das hat die Wiener Armutsforscherin Evelyn Dawid in einer neuen Folge des Podcasts "361 Grad Sozialkompass" der Katholischen Sozialakademie Österreichs (ksoe) betont. "So wie Armut nicht nur eine Frage der Ausstattung mit Geld ist, ist auch die Bekämpfung von Armut nicht nur eine Frage der finanziellen Ausstattung unseres Sozialbudgets", so Dawid im Gespräch mit ksoe-Direktor Markus Schlagnitweit.
Tatsächlich sei sie in ihrer qualitativen Armutsforschung immer wieder auf ähnliche Biografien und Verläufe von Armut gestoßen - Biografien, die nicht erst mit dem Aufsuchen von Hilfsstellen in Schräglage geraten seien, sondern oft weit davor, etwa in von Gewalt und Drogen geprägten Familien. Es seien häufig ähnliche Schicksale, die in Kindheitserlebnissen fußten und sich dann bis ins Erwachsenenalter fortsetzen. "Viele dieser Menschen haben psychische Probleme", so Dawid; es brauche daher auch entsprechende psychologische und therapeutische Angebote und Begleitung, um Menschen dauerhaft aus der Armut zu holen.
Die enorme Teuerung der vergangenen Jahre habe immer mehr Menschen in die Armut getrieben - dies allerdings zeige sich in den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen sehr unterschiedlich: Menschen, die schon zuvor in manifester Armut gelebt hätten, habe die Teuerung nicht in dem Maße getroffen wie die Angehörige der unteren Mittelschicht. Dies seien Menschen mit einem Monatseinkommen von bis zu 1.400 Euro für einen Einpersonenhaushalt.
Während es Menschen in Armut gewohnt seien, jeden Euro zweimal umzudrehen, kaum zu heizen und mit den wenigen Mitteln, die sie haben, zu "jonglieren", habe die Teuerung die Menschen der unteren Mittelschicht besonders getroffen. Sie habe ihr Einkaufsverhalten umstellen müssen, an Freizeitaktivitäten gespart und zeige eine große Unzufriedenheit und Misstrauen demokratischen Institutionen gegenüber, so Dawid: "Ich habe sehr viel Aggression gemerkt in den Gruppen. Die Folgen der Teuerung macht die Menschen dieser Gruppe besonders unruhig. Sie haben Zukunftsangst, sind wütend". (Der Podcast kann unter www.ksoe.at/podcast nachgehört werden)
Quelle: kathpress