Ordensvertreter: Von den Christen im Tur Abdin lernen
Ein "christliches Volk, das nicht aufgibt, das für sich und seine Identität einsteht, komme was wolle" haben Vertreter der österreichischen Ordenskonferenz im südosttürkischen Tur Abdin gefunden. Dass viele Bewohner der einst christlichen Region ermordet oder vertrieben worden waren oder sich zur Auswanderung - viele als Gastarbeiter in deutschsprachigen Ländern - entschlossen hätten, sei wenig bekannt, hieß es in einem am Montag veröffentlichten Bericht über einen einwöchigen Besuch zu Monatsbeginn. Die wenigen Verbliebenen - darunter auch Ordensleute - gäben mit ihrer Freude und Lebensenergie dennoch Anlass zum Staunen.
"Klosterleben wird im Tur Abdin anders gedacht als bei uns im Westen", resümieren die Teilnehmer der Delegation, denen aus den Reihen der Ordenskonferenz Generalsekretärin Sr. Christine Rod, Geschäftsführer Peter Bohynik sowie die Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit, Renate Magerl, angehörten, sowie außerdem von Vertretern der "Initiative Christlicher Orient" (ICO) und von "Biblische Reisen". "Ein Kloster mit nur einem Mönch ist keine Seltenheit. Für uns zuerst unvorstellbar, erklären uns die Mönche mit einer Selbstverständlichkeit, dass sie ja nicht allein seien. Es kommen Gäste, es sind Studenten hier, die Aramäisch lernen, und in vielen Klöstern leben auch Nonnen."
Die Lebensgeschichten der besuchten Mönche und Bischöfe seien allerdings "teilweise sehr hart", heißt es in dem Bericht; sie reichten von Verhaftungen und Gefängnisaufenthalten bis hin zu Landraub und Gerichtsverfahren, die sich ewig hinziehen, und auch das Erdbeben vom 6. Februar 2023 habe etliche Kirchen zerstört. Von den einst 80 Klöstern im Tur Abdin seien heute nur wenige erhalten und bewohnt. Sie würden dennoch renoviert und erhalten - mit viel Einsatz und Engagement von einzelnen Mönchen und Bischöfen, aber auch mit Spenden, die vorrangig von den ausgewanderten Christen stammten.
Klöster aus dem 3. Jahrhundert
Der Tur Abdin ist das spirituelle und kulturelle Zentrum des syrisch-orthodoxen Christentums, dessen Kirchen und Klöster teils bis ins 3. oder 4. Jahrhundert nach Christus zurückreichen. Besucht wurden von der Österreicher-Delegation u.a. die Klöster Mor Gabriel, welches als "Herz des Tur Abdins" gilt und Sitz von Erzbischof Timotheos Samuel Aktas ist, sowie das Kloster Mor Augin nahe an der syrischen Grenze, das Mor-Yakub-Kloster in Karno und das gleichnamige Kloster bei Salah, weiters das Kloster Mor Malke im Izlo-Gebirge sowie der Sitz von Erzbischof Mor Grigorios Malke Ürek, dessen Kirche in Adiyaman beim Erdbeben zerstört wurde.
Von den einst 200.000 Christen im ständig umkämpften Tur Abdin seien infolge des Völkermords von 1915, der Unterdrückung und des Hasses gegen Christen sowie auch wegen des anhaltenden Konflikts zwischen Kurden und der Türkei heute nur noch 2.600 bzw. rund 650 christliche Familien übrig, hieß es in dem Bericht. Die überwiegende Mehrheit der syrisch-aramäischen Christen, mehrere Hunderttausend, würden heute im Ausland leben und jedes Jahr für einige Wochen oder Monate in die alte Heimat zurückkehren, zudem schickten sie aus der Ferne großzügige finanzielle Unterstützung.
Viele offene Fragen
Viele Fragen stellten sich angesichts der Situation der Verbleibenden, zeigten sich die österreichischen Ordens-Vertreter in ihrem Resümee nachdenklich, etwa: "Welche Perspektiven und Zukunft haben die Christen im Tur Abdin? Gelingt es, den Glauben, die Kultur und die Identität auch im fernen Ausland, in einer ganz anderen Umgebung zu bewahren? Und was können wir von den Christen im Tur Abdin lernen?" Besonders die große Gastfreundschaft gegenüber Fremden, die enge Verwurzelung auch der Ausgewanderten mit ihrer Heimat sowie die vielen Bemühungen um die Weiterführung von Glaube, Traditionen und der aramäischen Sprache - jener, die auch Jesus Christus sprach - hätten sie beeindruckt, geht aus dem Reisebericht hervor.
Quelle: kathpress