Glettler: Theologie muss provozieren
Zu einer "provozierenden Theologie, die aus der Selbstbezogenheit herauslockt" hat Bischof Hermann Glettler aufgerufen. Theologie müsse "den Horizont offen halten und die vielen Götter unserer Zeit infrage stellen, die Besitz, Macht und Ansehen versprechen", sagte der Bischof in seiner Ansprache bei den Innsbrucker Theologischen Sommertagen, die am Montag und Dienstag an der Universität Innsbruck stattgefunden haben. "Gott - eine Provokation" war auch das Thema der bereits zum 25. Mal durchgeführten Veranstaltung der Katholisch-Theologischen Fakultät.
Gott sei eine Provokation, "weil wir alle dazu neigen, uns gemütlich im Gewohnten, Gefälligen und von uns Gewollten einzurichten", sagte Glettler. Schon in der Bibel habe er sich so gezeigt, etwa als er Abraham aufgefordert habe, "seinen vertrauten Kontext, seine Homebase 'um Gottes Willen' zu verlassen", so der Bischof. Gott provoziere auch heute das Leben der Menschen. Er sei weder zähmbar noch "Wohlfühlgarant in einer saturierten Gesellschaft", noch ein "Automat zur Befriedigung der vielen, nicht selten auch spirituell überhöhten Bedürfnisse".
Eine authentische Theologie müsse stets sich selbst und die religiöse Praxis darum befragen, ob die verwendeten Gottesbilder richtig seien. Nur falsche Götter würden nämlich Opfer verlangen, die Seelen der Menschen verwüsten, zur Verrohung der Sprache führen und "leere, empathielose Wesen" zurücklassen - während es sich beim christlich-jüdischen Gott anders verhalte: Qualitätsvolle Theologie in dieser Tradition "weitet Verstand und Herz für die vielen Vergessenen und ins Abseits Gedrängten unserer Zeit. Sie trägt und verstärkt die Sorge für unsere verwundete Welt", sagte Glettler.
Immer bleibe bei Gott das Geheimnis "größer als das, was wir zu fassen vermögen", auch weil sowohl seine Ferne als auch seine Nähe eine bleibende Provokation seien, so der Bischof. Als "eigentliche christliche Vorgabe" über angemessene Gottesbilder nannte Glettler das Jesus-Wort "Wer mich sieht, sieht Gott" auf die in den Evangelien. Die Theologie solle "nicht aufhören, zärtlich und anspruchsvoll von Gott zu sprechen" und ihn "durch das eigene Sprechen und Lebenszeugnis zu Wort kommen lassen".
Glettler würdigte in seinem Grußwort auch die Sommertage, bei denen stets wissenschaftliche Erträge der Theologie-Fakultät zu aktuellen Fragestellungen präsentiert werden. Die Veranstaltung sei ein "Versuch, Theologie mit Selbstbewusstsein und Demut in den öffentlichen Diskurs einzubringen". Nur durch solche Ansätze könne es gelingen, "die Anschlussfähigkeit an den wissenschaftlichen und öffentlichen Diskurs nicht zu verlieren", sagte Glettler, und forderte weiter: "Theologie muss proaktiv hörend und kreativ gestalterisch geschehen, um nicht selbstgeschäftig den eigentlichen Sinn des Nachdenkens und Redens über Gott zu verlieren."
Themen der Beiträge bei den "Sommertagen" waren unter anderem, "warum es keine Gottesbeweise gibt, aber gute Argumente für seine Existenz", die Provokationen Gottes für die Glaubenden, zudem gab es auch einen Vortrag unter dem Titel "G*tt weiblich gelesen. Eine Provokation." Auch unter anderem zu Spannungsfeldern religiöser Bildung im Kindergarten, zur heutigen "Überforderung christlicher Gemeinden", zum Verständnis des Kreuzes als Provokation, sowie auch zur christlichen Sozialkritik gab es Vorträge im Madonnensaal der Katholisch-Theologischen Fakultät.
Mitschnitte der Beiträge der von der Universität Innsbruck, dem Bischof von Innsbruck und Stift Wilten geförderten Veranstaltung werden in den kommenden Tagen im Rahmen der Sendereihe "Sonntagsakademie" beim Sender "Radio Grüne Welle" zu hören sein und sind für mehrere Wochen in dessen Audiothek verfügbar. (Link: www.rgw.it).
Quelle: kathpress