Schönborn: "Freundschaft ist das Lebenselixier"
Für Kardinal Christoph Schönborn hat Freundschaft nicht nur einen zutiefst persönlichen und geistlichen Wert, sondern sie ist auch für das gesellschaftliche Zusammenleben wichtig. "Freundschaft ist tatsächlich das Lebenselixier", betonte der Wiener Erzbischof am Donnerstagabend anlässlich der Eröffnung der neuen Ausstellung im Wiener Dommuseum zum Thema "In aller Freundschaft". Schönborn verwies in diesem Zusammenhang auf sein Bischofsmotto, das er 1991 bei seiner Ernennung "bewusst gewählt" habe. Sein bischöflicher Wahlspruch "Vos autem dixi amicos" ("Vielmehr habe ich euch Freunde genannt") aus dem Johannesevangelium stehe im Kontext der Worte Jesu über das Vertrauen. Daher gelte: "Ohne Vertrauen, keine Freundschaft."
"Dasselbe wollen, dasselbe nicht wollen", diese Beschreibung von Freundschaft durch den Kirchenlehrer Augustinus mache deutlich, dass Freundschaft von einer Entscheidung und einer Übereinstimmung im Willen getragen sei. Den Kern von Freundschaft drücke das lateinische Wort "Benevolentia" - "Wohlwollen" - treffend aus: "Einander gut zu wollen, das gegenseitige Wohlwollen, das ist es, was Freundschaft ausmacht", betonte der Kardinal. In dieser Haltung seien lebenslange Freundschaften nicht nur unter zwei Frauen oder zwei Männern, sondern auch zwischen Mann und Frau möglich. "Eine Freundschaft mit einer Frau ist für mich besonders wertvoll", bekannte der Kardinal und ergänzte: "Eine Ehe ist ziemlich traurig ohne Freundschaft."
"Kann es auch Freundschaft mit Gott geben", fragte der Kardinal, um dies zu bejahen. "Wenn es jemanden gibt, der mir wohl will, dann ist es Gott", so Schönborn, der unter Bezugnahme auf sein Bischofsmotto sagte: "Diese Freundschaft mit Gott ist möglich, weil es Jesus selbst gesagt hat und für mein Leben tragend war."
Freundschaft unter Politikern
Freundschaft könne aber auch eine politische Dimension haben, so Schönborn weiter. So sei die Gründung der Europäischen Union nicht zuletzt aufgrund der Freundschaft unter Politikern wie Robert Schuman, Alcide des Gasperi und Konrad Adenauer möglich gewesen.
Dass Freundschaft zwischen Politikern unterschiedlicher Parteien durchaus gelebte Realität sei, betonte auch der Wiener Gemeinderat Peko Baxant (SPÖ), der in Vertretung von Bürgermeister Michael Ludwig und Kulturstadträtin Veronika Kaup-Hasler das Wort ergriff. Dem medial weit verbreiteten Bild, dass es unter Politikern unterschiedlicher Couleur nur Konflikte gebe, müsse man entgegenhalten, dass "von den jährlich rund 4.000 gefassten Beschlüssen und Entscheidungen in Wien rund 80 Prozent einstimmig sind".
Freundschaft sei keine rechtliche Kategorie, dennoch habe sie eine gesellschaftliche Dimension. Freundschaft sei das beste Gegenmittel gegen Vereinsamung, eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit, so Baxant. Die Politik solle von daher Freundschaft ermöglichen: Jede Parkbank mehr im öffentlichen Raum könne dabei helfen.
Berühren und irritieren
Museumsdirektorin Johanna Schwanberg betonte, dass man mit dem Thema der neuen Ausstellung nach der letzten Sonderschau über "Sterblich sein" bewusst einen positiven, existenziellen, aber auch ambivalenten Akzent setzen wolle. "Ohne Freundschaft kein Leben", diese Worte Ciceros seien eine nach wie treffende Beschreibung. So kämen Studien zum Schluss, dass Freundschaften die physische und psychische Gesundheit stärken und das Leben um 22 Prozent verlängern können.
Freundschaft sei als Thema für ein Dommuseum auch naheliegend, zumal es eng mit christlichem Denken verbunden sei. Dennoch habe man bei der Auswahl der Kunstwerke auch auf die Ambivalenz von Freundschaft - Stichwort "Freunderlwirtschaft" - aufmerksam machen wollen. "Die Werke sollen unmittelbar berühren, aber auch irritieren", so Schwanberg vor zahlreichen Gästen aus Kunst, Kultur, Kirche und Gesellschaft.
Die Ausstellung "In aller Freundschaft" ist ab 27. September bis 24. August 2025 zu sehen. Ergänzend dazu ist ein über 400 Seiten starker Katalog erschienen, der unter anderem ein Interview mit Kardinal Schönborn zum Thema der Ausstellung enthält. (Informationen und Tickets: www.dommuseum.at)
Quelle: kathpress