Wien: 95-jähriger Philosoph Wucherer präsentierte neues Fachbuch
Er gehört zu den "großen Namen" der österreichischen christlichen Philosophie: Augustinus Karl Wucherer-Huldenfeld. Von 1974 bis 1997 war der Philosoph, Theologe und Ordensmann Professor für Christliche Philosophie und Mystik sowie Vorstand des Instituts für Christliche Philosophie an der Universität Wien. Nun hat Wucherer-Huldenfeld mit inzwischen 95 Jahren ein neues Buch vorgelegt und am Mittwochabend an der Universität Wien präsentiert. Der 720 Seiten umfassende Band "Wegbahnungen. Notwendigkeit, Möglichkeit und Sinn eines phänomenologischen Aufweisens des 'Daseins' Gottes aus ursprünglicher Erfahrung. Zur Methodologie und Logik philosophischer Theologie" ist der dritte Band der von Wucherer-Huldenfeld 2011 begonnenen Reihe "Philosophische Theologie im Umbruch".
Dass der Name Wucherer-Huldenfeld immer noch "zieht", zeigte das hohe Publikumsinteresse: Der Franz-König-Saal der Universität war demnach überfüllt. Neben früheren Studierenden und heutigen Lehrenden der Fakultät waren außerdem der Salzburger Erzbischof Franz Lackner sowie der Wiener Weihbischof Franz Scharl anwesend.
Schelkshorn: "Pflock in säkularer Welt"
Der Philosoph und Vorstand des Instituts für Interkulturelle Religionsphilosophie, Prof. Johann Schelkshorn, würdigte Wucherer-Huldenfelds Werk bei der Buchpräsentation als "Pflock in der säkularen und kirchlichen Welt", dessen philosophisches Anliegen einer "Erneuerung der philosophischen Theologie von großer Aktualität und nicht zu unterschätzen" sei. Dass diese Erneuerung notwendig sei, zeige sich laut Schelkshorn etwa darin, dass selbst an philosophischen Instituten die Religionsphilosophie inzwischen als "illegitime Störung" empfunden werde und Religion "ohne Auseinandersetzung ad acta gelegt" werde.
Persönlich habe er von der "ruhigen und klaren Entschiedenheit" Wucherer-Huldenfelds und der Art, wie dieser "in atemberaubender Konsequenz zentrale Gehalte des Christentums philosophisch aufgeschlossen hat", stark profitiert, so Schelkshorn weiter. Ein "blinder Glaubensgehorsam" sei nie die Sache Wucherer-Huldenfelds gewesen. "Für diese Schule der Freiheit des Denkens möchte ich dir von Herzen danken."
Riedenauer: Klassische Topoi neu entdeckt
Der aus Wien stammende und an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt lehrende Philosoph Prof. Markus Riedenauer zeigte in einem Durchgang durch das Gesamtkonzept des Publikationsprojekts und des nunmehrigen dritten Bandes auf, wie Wucherer-Huldenfeld "einem Archäologen nicht unähnlich" vorgeht und nach frühen Schichten religionsphilosophischen Denkens fahndet, um diese für die Gegenwart fruchtbar zu machen. Dabei beschreibe der Autor nicht nur den philosophischen Umbruch in eine gleichermaßen post-atheistische wie post-fideistische neue Phase, sondern er nehme diesen zum Anlass, gleich das Projekt einer Erneuerung der philosophischen Theologie insgesamt anzugehen.
Dieses Projekt bleibe notwendigerweise weiterhin Fragment und unabgeschlossen, so Riedenauer - gleichwohl sei die Art, wie Wucherer-Huldenfeld klassische Topoi etwa der Gottesbeweise oder der Theodizeefrage neu aufgreife und auf ihre Tauglichkeit für die gegenwärtige philosophische Rede von Gott hin abklopfe, erfrischend und wegweisend für eine zeitgemäße Erneuerung der christlichen Philosophie. Bestimmende Begriffe blieben dabei sowohl das Mysterium als auch das Beharren auf einen Zugang zu Gott über die ursprüngliche Erfahrung.
"Das Sein ist das Wunder aller Wunder"
Wucherer-Huldenfeld selbst ließ es sich bei der Buchpräsentation nicht nehmen, "einige Bemerkungen zum besseren Verständnis" der Bände vorzutragen, wie es im Programm hieß. Dabei unterstrich der Autor, dass er die existenzielle Erfahrung des Seins als "Wunder aller Wunder" und gleichsam als tragende Grundlage des christlichen Glaubens erachte. Diese Einsicht sei ihm ausgerechnet in Auseinandersetzung mit einem "rabiaten Atheisten" in jungen Jahren gekommen, schilderte Wucherer-Huldenfeld, hatte dieser in ihm doch tiefe existenzielle Zweifel gesät - bis plötzlich die Erfahrung aufleuchtete: "Es ist nämlich Sein." Diese Einsicht wurde für ihn zur befreienden Antwort und eröffnete ein "Getragensein in der grenzenlosen Welt mit dem Sein".
"Glauben heißt Vertrauen", so Wucherer-Huldenfeld. Dieses Urvertrauen sei kein beliebiges Gefühl, sondern eine Grunderfahrung, die dem christlichen Glauben vorausgehe. "Wir müssen ein Verständnis des Seins und des Lebens aus Erfahrung mitbringen, um den biblischen Glauben annehmen zu können - nicht umgekehrt", betont er. Diese Einsicht sei im "vulgären Christentum" weitgehend verloren gegangen, auch in der Theologie. "Dort wird versucht, den Glauben argumentativ zu 'stemmen'; er wird so aber nicht als Gabe erfahren, die auf das Vertrauen antwortet, das Gott schenkt."
Es gelte daher, die ursprüngliche Erfahrung göttlicher Gegenwart auch philosophisch wiederzuentdecken: "Wenn wir dem Ruf in die Stille folgen, erfahren wir diese Anwesenheit. Es ist die heilsame Erfahrung des Seins." Diese Erfahrbarkeit Gottes durch das Sein in der Gegenwart sei im Kern im Neuen Testament bezeugt - und zwar nicht zuletzt im Schlussruf "Maranatha" des neuen Testaments. Dieser laute - korrekt übersetzt - nämlich nicht "Komm, oh Herr Jesus", sondern "Oh, er ist da"; es gehe also nicht um ein Flehen um Wiederkunft, sondern um den Jubel über die Anwesenheit und Erfahrbarkeit Gottes in der Gegenwart.
Priester und Philosoph
Augustinus Karl Wucherer-Huldenfeld wurde am 1. Juli 1929 im steirischen Gleinstätten geboren. Ab 1947 studierte er Philosophie, Psychologie und Ethnologie an der Universität Wien, wo er 1957 promovierte. Darauf folgte bis 1961 in Innsbruck das Theologiestudium. 1956 trat Wucherer-Huldenfeld in das Prämonstratenserstift Geras ein, nahm den Ordensnamen Augustinus an und wurde 1961 zum Priester geweiht.
1964 begann seine Lehrtätigkeit zuerst in Klosterneuburg und dann ab 1967 an der Universität Wien. Von 1974 bis zur Emeritierung 1997 leitet er als Professor das Institut für Christliche Philosophie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehört die Atheismusforschung - seine diesbezügliche Expertise konnte er von 1978 bis 1983 als Konsultor in das Päpstliche Sekretariat für die Nichtglaubenden einbringen.
Quelle: kathpress