
Landau warnt vor "illiberalem Geist" in Österreich
Caritas-Europa-Präsident Michael Landau sieht die politische Entwicklung in Österreich an einem Scheideweg. In einem Gastkommentar für die Tageszeitung "Der Standard" (Samstag) warnt er vor einem "illiberalen Geist", der die politische Kultur des Landes verändere. Die bekannt gewordenen Protokolle der geplatzten Regierungsverhandlungen von FPÖ und ÖVP hätten ein Bild gezeichnet, in dem Menschenrechte eingeschränkt, der Sozialstaat geschwächt, Europa rück- und etwa der öffentlich-rechtliche Rundfunk abgewickelt werden sollte. "Eine solche Dritte Republik, sie wirft keinen (menschen-)freundlichen Schatten voraus", so Landau.
Insgesamt scheine in der heimischen Politik in den vergangenen Tagen und Wochen "für alle sichtbar und auf offener Bühne etwas Kostbares zu Bruch gegangen", führt der langjährige frühere Caritas-Österreich-Präsident aus. "Es begann mit dem Scheitern der Ampelgespräche nach der Wahl und fand seinen vorläufigen und hoffentlich letzten Tiefpunkt in dem öffentlich zur Schau gestellten schamlosen Gezerre und Geschiebe um Macht, um Posten und um ideologischen Einfluss. Öffentlich inszenierte Demütigungsrituale, getarnt als Politik." Noch vor wenigen Jahren sei die politische Kultur in Österreich von wechselseitigem Respekt und der Fähigkeit zum Dialog getragen gewesen.
"Hart in der Sache, aber niemals unversöhnlich im Ton" - nach diesem Prinzip hätten Österreichs Verantwortungsträger über Jahrzehnte gehandelt, so Landau. Er erinnert an die Bedeutung von Sozialpartnerschaft, gesellschaftlichem Zusammenhalt und das Bewusstsein, dass eine funktionierende Gesellschaft nicht auf Spaltung und das Gegeneinander-Ausspielen einzelner Gruppen aufgebaut sein könne. "Eine zukunftstaugliche Gesellschaft ist eine, in der auf die Schwächsten, die Verletzlichsten in dieser Gesellschaft Rücksicht genommen wird." Dieses Bewusstsein scheine zuletzt an vielen Stellen in Politik und Gesellschaft verloren gegangen, mahnt er.
"Hoffnung und Zusammenhalt stärken"
Die aktuellen Entwicklungen seien jedoch nicht unumkehrbar. "Dieses Match ist jedenfalls noch nicht entschieden", betont Landau. Entscheidend sei, ob sich Österreich in eine Reihe mit Staaten stellte, "die der liberalen und offenen Gesellschaft ganz unverhohlen den Kampf angesagt haben" und wo Grundrechte beschnitten würden, oder ob ein anderes Gesellschaftsmodell gestärkt wird: "Gelingt es den Kräften der politischen Vernunft, das Bedürfnis nach Veränderung - nicht aber nach Disruption - zu stillen und ein Regierungsprogramm zu schmieden, das entfacht, wonach sich viele sehnen: Hoffnung, Zuversicht und daraus Zusammenhalt und die Bereitschaft anzupacken."
Eine Gesellschaft, in der "das bessere Argument mehr zählt als die stärkere Emotion", sei weiterhin möglich, so der Caritas-Europa-Präsident. Angst sei jedoch ein großer Hemmfaktor für solidarisches Handeln. Gerade deshalb müsse dem wachsenden "visionären Vakuum" mit positiven und zukunftsgerichteten Konzepten begegnet werden: "Wir können in Österreich und Europa Probleme, die es zweifelsohne zur Genüge gibt, lösen; aber das geht nur gemeinsam. Wer Ängste schürt und wahltaktisch bewirtschaftet, schadet Österreich."
"Zu viel steht auf dem Spiel"
Seine jahrzehntelange Arbeit in der Caritas habe ihn gelehrt, dass die Gesellschaft den "Mut, Kraft und Fantasie" haben, um die Zukunft in einer guten Weise zu gestalten. Dafür gelte es weiter einzustehen. Der deutsche Rechtsphilosoph Ernst-Wolfgang Böckenförde habe treffend festgestellt, dass der freiheitliche Staat von Voraussetzungen lebe, die er selbst nicht garantieren könne. Landau: "Mit anderen Worten: Es liegt jetzt an uns, an den Bürgerinnen und Bürgern dieser Republik, diese Voraussetzungen aufs Neue zu schaffen. Aufgabe der Parteien wird es sein, Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat es betont, eine in Verruf geratene Kompromissfähigkeit von neuem einzuüben - sie ist nicht das Problem, sondern die beste und einzige Möglichkeit, die wir haben, um zu tragfähigen Lösungen für Österreich zu kommen. Zu viel steht auf dem Spiel."
Quelle: kathpress