
Diakonie-Direktorin: Plädoyer für mehr Mitgefühl in der Gesellschaft
Ein eindringliches Plädoyer für mehr Mitgefühl in der Gesellschaft kommt von Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser. Man erkenne den Wert einer Gesellschaft auch daran, welche Fragen sie stellt und ob sie das Kreuz anderer sieht, so Moser am Karfreitag in einem Gastkommentar in der "Presse". Moser ortet eine besorgniserregende gesellschaftliche Entwicklung: einen tiefgehenden Empathieverlust. "Empathie ist die Bereitschaft und Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen. Sich berühren zu lassen", so die Diakonie-Direktorin.
Das Gegenteil von Empathie sei Apathie, "jene Gleichgültigkeit, von der der Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel gesagt hat, sie mache Menschen unmenschlich. (...) In uns selbst verkrümmt schauen wir auf unseren Nabel und halten uns für den Nabel der Welt."
Der Karfreitag sei eine Aufforderung zur Empathie: "den Blick heben und hinschauen auf das Kreuz". Das Kreuz stehe für den vielleicht anspruchsvollsten Gedanken des Christentums: "Die menschliche Realität des Leidens ist Gott nicht gleichgültig. Gott lässt sich so sehr berühren davon, dass Er sich selbst Gewalt und Leid aussetzt. Auf das Kreuz zu schauen heißt, auf die vielen Kreuze der Welt zu schauen, den Schmerz der anderen sensibel und solidarisch wahrzunehmen."
Moser räumt ein, dass gerade im Informationszeitalter das Leid anderer überwältigend sein könne, wenn man ständig mit Bildern von Not, Elend und Gewalt bombardiert werde. "Ich spüre und verstehe die kollektive Ohnmacht. Doch sich abzuschotten, scheint mir nicht aus ihr herauszuführen", so die Diakonie-Direktorin. Der Unwille oder die Unfähigkeit, das Leiden anderer wahrzunehmen, lähme, führe in die Beziehungslosigkeit und in das Sichabfinden mit Unrecht und Gewalt. Gleichgültigkeit nütze dem Aggressor - nie dem Opfer. Umgekehrt sei Empathie ein Motor für den Einsatz für Gerechtigkeit.
Als politisches Gefühl könne Empathie gesellschaftliche Debatten verändern, zeigt sich Moser überzeugt: "Ich denke an die Diskussion rund um Abschiebungen nach Syrien oder das Aussetzen der Familienzusammenführungen für Schutzberechtigte. Gefragt wurde: Ist das System überlastet? Geht das rechtlich? Nie habe ich einen Politiker, eine Politikerin fragen hören: Wie fühlt sich eine Zwölfjährige, die seit zehn Jahren in Österreich lebt und hört, dass sie nach Syrien abgeschoben werden soll? Welche Sorgen plagen einen 17-Jährigen, dessen Mutter in Afghanistan wartet?"
Fazit: "Man erkennt den Wert einer Gesellschaft nicht nur daran, wie sie mit ihren schwächsten Gliedern verfährt, sondern auch daran, welche Fragen sie stellt, wo sie hinschaut."
Quelle: kathpress