
Wien: Interreligiöser Religionsunterricht in vier Schulen erprobt
Was braucht ein zeitgerechter Religionsunterricht in einer Gesellschaft, die vielfältiger ist denn je? - Dieser Frage widmet sich das Pilotprojekt "diaRU - dialogisch-interreligiöser authentischer Religionsunterricht". Expertinnen und Experten aus fünf Religionsgemeinschaften haben in Zusammenarbeit mit der KPH Wien/Niederösterreich das neue Unterrichtsmodell aufgesetzt, das verschiedene religiöse und weltanschauliche Perspektiven in einen Dialog bringt. An vier Wiener Pflichtschulen wurde das Modell im gerade zu Ende gehenden Schuljahr erstmals praktisch erprobt - mit positiven Ergebnissen, wie das Schulamt der Erzdiözese Wien und die Kirchliche Pädagogische Hochschule Wien/Niederösterreich (KPH) am Mittwoch in zwei Aussendungen mitteilten.
Demnach wurden in drei Volksschulen und einem Sonderpädagogischen Zentrum katholische bzw. orthodoxe Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit muslimischen Mitschülerinnen und Mitschülern unterrichtet. Lehrpersonen aus unterschiedlichen Religionen standen für mehrere Unterrichtseinheiten zusammen in der Klasse. Der Fokus lag auf Austausch und Begegnung, wenn die Schülerinnen und Schüler in den gemeinsamen Stunden über Glaubens- und Lebensfragen reflektierten.
Beteiligt sind an dem Projekt neben dem Wiener Erzbischöflichen Amt für Schule und Bildung das evangelische Schulamt, das orthodoxe Schulamt, das Schulamt der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich sowie das Schulamt der alevitischen Glaubensgemeinschaft in Österreich.
"Religionsunterricht ist immer mehr als Wissensvermittlung", so Andrea Pinz, Leiterin des Erzbischöflichen Amts für Schule und Bildung. Der konfessionelle Religionsunterricht leiste einen wichtigen Beitrag für die Wertebildung von Kindern und Jugendlichen. Und er sei ein Ort für Begegnung und Dialog. Gerade in einer pluralen Gesellschaft brauche es aber auch "ergänzende Unterrichtsformate, die in besonderer Weise Brücken schlagen", erläuterte die Schulamtsleiterin die Bedeutung des neuen Pilotprojekts: "Kooperative Modelle wie diaRU zeigen, wie sich der Religionsunterricht zukunftsorientiert weiterentwickelt."
Die Schule bereite Kinder für die Teilhabe an einer religiös, ethnisch, sozial und kulturell diversen Gesellschaft vor. Pinz: "Sie sollen zu respektvollen, dialogfähigen Menschen heranwachsen und Verantwortung und Solidarität einüben. Dazu leistet der Religionsunterricht einen wesentlichen Beitrag."
Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt von der KPH Wien/Niederösterreich. Unter Federführung der KPH wird demnach auch das maßgeschneiderte Unterrichtsmaterial entwickelt. Forschung und Datenerhebung sind dabei laut Aussendung mit Unterrichtspraxis und Materialentwicklung verschränkt. Erste Ergebnisse der Datenauswertung zeigen laut KPH einen positiven Blick auf das gemeinsame Erleben. Die Schüler haben demnach große Freude an den gemeinsamen Unterrichtseinheiten. Auch die Rückmeldungen der Religionspädagoginnen und -pädagogen seien durchwegs positiv.
"In unserer zunehmend pluralen Gesellschaft kommt dem Religionsunterricht besondere Bedeutung zu, wenn es darum geht, Identitätsbildung im schulischen Kontext bestmöglich zu begleiten", zeigte sich KPH-Rektorin Ulrike Greiner in einer eigenen Aussendung überzeugt. Religiöse Bildung sei gesellschaftlich hochrelevant. "Unser Projekt diaRU stützt sich auf ein religionspädagogisches Modell, das Vielfalt als Ressource begreift und pädagogisch fruchtbar macht", so die Rektorin. Die KPH leiste einen wesentlichen Beitrag zur zukunftsorientierten Weiterentwicklung des Religionsunterrichts."
Im kommenden Schuljahr wird das Projekt fortgesetzt. In zwei Volksschulen werden katholische und muslimische Schüler in gemeinsamen Unterrichtseinheiten unterrichtet, in zwei Gymnasien sind es jeweils evangelische und muslimische Schüler.
Evangelische und orthodoxe Unterstützung
Eine Lanze für das Pilotprojekt "diaRU - dialogisch-interreligiöser authentischer Religionsunterricht" hat am Mittwoch auch der evangelische Superintendent und Wiener Schulamtsleiter Matthias Geist gebrochen. "Der Hoffnungsgedanke verbindet die Religionen miteinander. Hoffnung und Vertrauen sind wichtiger denn je - für jeden und jede einzelne von uns genauso wie für die Gesellschaft. Beides wird für Tag für Tag im Religionsunterricht gestärkt und in besonderer Weise in diesem interreligiösen Projekt", so Geist in einer Stellungnahme gegenüber Kathpress und dem evangelischen Pressedienst EPD.
Er sehe es als Auftrag und als besondere Chance gerade für Minderheiten wie die Evangelische Kirche, "Brücken zu bauen, sich für ein respektvolles Miteinander auf Augenhöhe einzusetzen und gemeinsam für sinnstiftende Angebote zu sorgen", so Geist.
Positiv äußerte sich auch Branislav Djukaric, Fachinspektor und stellvertretender Schulamtsleiter des Orthodoxen Schulamts: "Die Kooperation als Form der Zusammenarbeit im gesellschaftlichen Zusammenleben ist eine tragende Säule unserer Gesellschaft und damit eine selbstverständliche Aufgabe und Verpflichtung jeder einzelnen Religionsgemeinschaft."
Als orthodoxe Christen, die sich als integraler Bestandteil dieser Gesellschaft verstehen," sehen wir unsere Aufgabe darin, durch unsere Zusammenarbeit die gemeinsamen Interessen zu fördern und gleichzeitig die identitätsstiftenden Merkmale jeder einzelnen Glaubensgemeinschaft zu unterstützen", so Djukaric weiter: "Wir alle, die wir an diesem interreligiösen Pilotprojekt beteiligt sind, wollen mit diesen gemeinsamen, kooperativen Unterrichtsformen ein Zeichen des Dialogs im Rahmen des konfessionellen Religionsunterrichts setzen. Als gläubige Menschen möchten wir dazu beitragen, eine bessere und friedvollere Zukunft für alle zu sichern".
Quelle: kathpress