
Experte Batlogg: "Papst weiß dass es in der Kirche brodelt"
Der neue Papst Leo XIV. befindet sich nach Einschätzung des Papst-Experten Andreas Batlogg nach wie vor in der Orientierun mgsphase seines Pontifikats. Das neue Kirchenoberhaupt sei mit tausenden Erwartungen und Agenden aus der Weltkirche konfrontiert; für Leo gehe es aktuell darum, zu "sortieren und priorisieren", sagte der Jesuit bei einer Buchpräsentation am Mittwochabend in Wien. Gleichzeitig sei auch Leo klar, dass Entscheidungen anstehen, sei es im Umgang mit Frauen in der Kirche, bei Priestermangel oder zur Etablierung der synodalen Kultur, so Batlogg: "Auch der Papst weiß: Es brodelt in der Kirche."
Leo XIV. habe erste Schritte gesetzt, die Einheit in der Kirche betont und auch "Streicheleinheiten" an die Kurie ausgeteilt. Für Beurteilungen des Pontifikats sei es aber zu früh. Dafür gelte es unter anderem auf die ersten Lehrschreiben, die erste Enzyklika zu warten, betonte Batlogg. Ob ein Papst eine rote Mozetta trage, in Santa Marta oder im Apostolischen Palast wohne oder in Castel Gandolfo urlaube, seien zwar Zeichen gerade in einer von Bildern mitgeprägten Welt, machten aber nicht die Essenz des Papsttums aus.
Nach der Amtszeit von Papst Franziskus würden sich viele in der Kirche nach Ruhe sehen. Er glaube aber nicht, dass Leo XVI. nun quasi als Schlaftablette wirken werde, sagte der Jesuit. "Ich hoffe, dass er die Dinge offensiv angeht." Leo wisse auch angesichts seiner Biografie um die Herausforderungen für die Kirche in verschiedenen Weltregionen. Aus seiner Zeit in Peru kenne der neue Papst das Problem des Priestermangels und sei als früherer Generalprior der Augustiner und Präfekt der vatikanischen Bischofsbehörde auch über die Lage der Kirche in Europa im Bild. "Und der weltweite synodale Prozess hat ja offenbart, dass manche heißen Eisen mitnichten deutschsprachige Themen sind", fügte Batlogg hinzu.
Zum Thema Kirchenreformen gehöre aber auch: "Wenn wir Weltkirche sein wollen, müssen wir lernen, dass es nicht nach unserem Gusto geht", sagte der Jesuit. Batlogg gab das Beispiel der Diskussion um die Frauenweihe. Für die einen sei deren Nicht-Einführung ein Austrittsgrund, andere wiederum würden genau für den Fall einer Etablierung der Frauenweihe ihre Abwendung von der Kirche ankündigen. "Vor diese Frage ist jeder Papst gestellt. Und Leo ist da, vermutlich, weniger mutig."
Zwei Papst-Bücher präsentiert
Der Jesuit und Autor äußerte sich am Mittwochabend im Rahmen eines von der Theologin Regina Polak moderierten Podiumsgesprächs mit dem Südtiroler Kirchenhistoriker Josef Gelmi in der Wiener Buchhandlung Herder. Neben Batloggs Neuerscheinung "Leo XIV. - der neue Papst" wurde das von Gelmi im Tyrolia-Verlag veröffentlichte "Große Buch der Päpste" präsentiert, das die Geschichte aller 267 Nachfolger des Apostels Petrus bis zum neu gewählten Leo.
Angesichts des "Reformstaus" in der Kirche wünsche er sich vom neuen Papst, dass noch mehr Frauen wichtige Positionen in der Kirche bekommen und Reformen hin zu einer stärkeren Dezentralisierung, sagte Gelmi. "Wir müssen von dem Gedanken wegkommen, dass es überall gleich sein muss, in Afrika wie in Europa oder in Südamerika." Die Rolle der Frauen in der Kirche sei "das ist das große Thema", betonte der Kirchenhistoriker. Der Papst werde noch mehr Stellung beziehen müssen.
Leo XIV. bloß Verwalter oder nicht?
Er sei aber immer sehr kritisch gegenüber Päpsten, fügte Gelmi hinzu, der in den vergangenen fünf Jahrzehnten 40 Bücher über Päpste, Bischöfe und Geschichte sowie Kirchenhistorie verfasst hat. Von Leo XIV. erwarte er sich "nicht allzu viel", so der Forscher. "Ich bin mir sicher, dass er die Kirche ordentlich verwalten wird, aber große Würfe erwarte ich nicht."
Batlogg widersprach: "Ich glaube nicht, dass er nur ein Verwalter wird." Hoffnungen hat der Jesuit dabei vor allem mit Blick auf die Weiterarbeit am synodalen Prozess in der Kirche. Papst Leo habe schon am Abend seiner Wahl Franziskus' Signalwort von der "synodalen Kirche" wiederholt. Die Zeit, per päpstlichem Machtwort etwas zu dekretieren sei vorbei; "aber eine synodale Kultur zu etablieren, das dauert", so Batlogg. Leo bringe dafür Leitungserfahrung und auch seine Ausbildung als Kirchenrechtler mit. Entsprechend könne er jene Prozesse, die Franziskus "oft sehr abrupt, spontan, für manche überfordernd" auf den Weg gebracht habe, verstetigen.
Synodal "bis in den letzten Winkel jeder Diözese"
Die Umsetzung einer synodalen Kirche müsse jedenfalls weitergehen, "bis in den letzten Winkel jeder Diözese", forderte der Jesuit. Ob eine synodale Kultur etabliert werden könne, sei für die Kirche ein Lackmustest. "Das heißt auch Gewaltenteilung und dass Bischöfe Macht abgeben müssen. Wenn sich das nicht abbildet in der Organisationsstruktur der Kirche, sprich in der Dogmatik und im Kirchenrecht, dann bleiben es schöne Worte."
Grundsätzlich gebe es in der Kirche heute etliche Konflikte und Bruchlinien, so Batlogg weiters. Er wünsche sich sehr, dass Papst Leo hier nicht alles beschönige und beruhige, sondern genau hinschaue. Der Jesuit nannte hier etwa einen verbreiteten Klerikalismus in der Generation junger Priester und eine äußerst aggressive Debattenkultur unter Katholiken als Probleme. Es dürfe nicht sein, "dass einem der Glauben abgesprochen wird oder dass Theologie als Bedrohung empfunden wird", betonte Batlogg. "Da muss der Papst was tun."
(Buchhinweise: Andreas Batlogg, "Leo XIV. Der neue Papst", Verlag Herder, 2025, 176 Seiten; Josef Gelmi, "Das große Buch der Päpste", Tyrolia-Verlag, 2025, 560 Seiten)
Quelle: kathpress