
Kirchen in Österreich: "Große Sorge" über Situation in Armenien
Der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) verfolgt "mit großer Sorge" den schwerwiegenden Konflikt zwischen der Armenisch-apostolischen Kirche und dem armenischen Ministerpräsidenten Nikol Paschinjan. "Betroffen mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass sich neben Erzbischof Bagrat Galstanyan nun auch Erzbischof Mikael Ajapahyan in Untersuchungshaft befindet", teilte der ÖRKÖ-Vorstand am Donnerstag in Wien mit. Katholikos Karekin II. habe die Gläubigen in Armenien und in aller Welt aufgerufen, für die Inhaftierten und für den Frieden im Land zu beten. "Diesem Aufruf bzw. diesem Gebet wollen auch wir uns anschließen", so die Spitzen des Ökumenischen Rates.
Gleichzeitig appelliert der ÖRKÖ-Vorstand an die internationale Staatengemeinschaft. Diese müsse die Entwicklungen in Armenien "mit wachem Auge verfolgen und die Achtung der Menschenrechte - insbesondere der Religionsfreiheit - aktiv einfordern". Die von Behörden bzw. Justiz gegen die armenischen Bischöfe erhobenen Anschuldigungen "lassen uns ungläubig zurück", so die österreichischen Kirchenvertreter. Katholikos Karekin II. habe die Anschuldigungen als "haltlos" zurückgewiesen und die Verhaftungen als nicht rechtmäßig bezeichnet.
Auch die "Verrohung der Sprache", die immer mehr Spaltung in die armenische Gesellschaft treibe, sorgt den Ökumenischen Rat. Rechtsstaatlichkeit und die Achtung der Menschenrechte seien grundlegend für eine gute Zukunft Armeniens und seiner Bevölkerung. "Das Land ist ohnehin schon mit großen Herausforderungen konfrontiert. Wir denken nur an die vielen aus Berg-Karabach Geflohenen, die sich nun in Armenien eine neue Existenz aufbauen müssen, und an all jene Armenier, die sich immer noch in Haft in Aserbaidschan befinden. Armenien braucht deshalb dringend Einheit und gesellschaftlichen Zusammenhalt."
Die Armenisch-apostolische Kirche sei seit Jahrhunderten ein tragender Pfeiler der armenischen Identität und "Garant für geistliche, soziale und kulturelle Stabilität - besonders in Krisenzeiten wie nach der Vertreibung der armenischen Bevölkerung aus Berg-Karabach im Jahr 2023", hält der ÖRKÖ-Vorstand weiter fest: "In Verbundenheit mit unseren armenischen Schwestern und Brüdern beten wir um Gerechtigkeit, Versöhnung und den Schutz der Kirche in Armenien."
(Erklärung im Wortlaut auf Website des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich: https://www.oekumene.at/oerkoeerklaerungen/3063/grosse-sorge-ueber-situation-in-armenien)
Firmen von Kirchen-Mäzen enteignet
Erzbischof Galstanyan war vor einer Woche zusammen mit 13 weiteren Personen festgenommen und angeklagt worden. Ihm wird die Planung eines Komplotts zum Sturz der armenischen Regierung, die Anstiftung zu Massenunruhen und die angebliche Vorbereitung von Terroranschlägen vorgeworfen. Die gleichen Vorwürfe werden auch Erzbischof Mikael gemacht. Unter den Festgenommenen ist auch der prominente Geschäftsmann und Mäzen der armenisch-apostolischen Kirche, Samuel Karapetyan. Ihm werden im Prinzip dieselben Vergehen wie den Bischöfen zur Last gelegt. Firmen des Milliardärs wurden bereits vom Staat enteignet.
Die armenische Kirche sieht das staatliche Vorgehen als politischen Akt. Galstanyan gilt als führender Kopf einer Protestbewegung gegen Regierungschef Nikol Paschinjan, deren Anhänger im Vorjahr bei Straßenprotesten die Absetzung des Ministerpräsidenten wegen dessen Politik im Konflikt mit Aserbaidschan forderten.
Gottesdienste für Freilassung
In der Kathedrale von Etschmiadzin werden derweil jeden Tag Gottesdienste für die Freilassung der Gefangenen gefeiert. Diesen Gottesdiensten stehen armenisch-apostolische Bischöfe aus aller Welt vor, die damit auch die Solidarität und Verbundenheit der Diaspora-Kirche mit der Mutterkirche in Armenien zum Ausdruck bringen. Am Dienstag stand beispielsweise der armenisch-apostolische Bischof von Frankreich, Grigor Chatschatrjan, der Liturgie vor. Er beschrieb in seiner Predigt Armenien als orientierungslose Nation ohne klare Identität. Das sei kein Weg in eine gute Zukunft.
Am Montag stand Katholikos Karekin II. selbst dem Gottesdienst vor. Mit ihm zelebrierte Bischof Vrtanes Abrahamyan, Primas der Diözese Artsach (Berg-Karabach), die derzeit nur auf dem Papier besteht, nachdem Aserbaidschan die Region im Herbst 2023 erobert hat. An dem Gottesdienst nahmen laut einer Mitteilung der Armenischen Kirche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens von Artsach sowie Familienangehörige von Armeniern teil, die sich seit Herbst 2023 immer noch in aserbaidschanischer Gefangenschaft befinden.
Die Armenier seien unschuldig in Haft, es brauche auch in Armenien stärkere Bemühungen zur Freilassung dieser "Geiseln", so der Bischof. Dazu fehle es derzeit aber am politischen Willen. Der Bischof mahnte ein stärkeres nationales und spirituelles Selbstbewusstsein ein.
Hilfswerk: "Kirche soll mundtot gemacht werden"
Scharfe Kritik am Vorgehen Paschinjans gegen die armenische Kirche übte am Donnerstag auch das österreichische ökumenische Hilfswerk "Christen in Not" (CiN). "Die armenische Kirche soll mundtot gemacht werden", betonte Generalsekretär Elmar Kuhn in einer Mitteilung und sprach von einem "insgesamt durchsichtigen Manöver des Ministerpräsidenten, der die Mitsprache der Kirche im Einsatz für die Vertriebenen und gegen die Zerstörung der bis zu 1.700 Jahre alten Kirchen in Berg-Karabach zum Schweigen bringen will".
CiN arbeitet mit nach eigenen Angaben seit 2023 mit dem verhafteten Erzbischof Mikael in einem Projekt zusammen, in dem aus Berg-Karabach vertriebenen Christen geholfen wird. "Wir fordern unsere österreichischen und europäischen Politiker auf, dem derzeitigen Kultur- und Kirchenkampf in Armenien energisch zu widersprechen und zu einer unabhängigen Justiz zurückzukehren", so Generalsekretär Kuhn.
Quelle: kathpress