Moderner Pendler zwischen Kontinenten: Papst Leo XIV. wird 70
Eine "Geburtstagstorte" durfte Leo XIV. bereits Mitte August in Castel Gandolfo anschneiden: Das reich verzierte Backwerk teilte er mit rund 100 bedürftigen Menschen. Robert Francis Prevost wurde am 8. Mai zum offiziell 267. Papst der Kirchengeschichte gewählt. Seither versucht die Welt, sich einen Reim zu machen auf den stets freundlichen, manchmal emotionalen und häufig nachdenklichen Mann in Weiß, der am 14. September 70 Jahre alt wird.
Dass "der Neue" nicht einfach der erste US-Amerikaner im Papstamt oder schlicht ein "Anti-Trump" ist, war schnell klar. Denn Leo XIV., der sich mit seiner Namenswahl dem Papst der "Sozialen Frage" Leo XIII. (1878-1903) verschrieb, hat auch einen peruanischen Pass und eine weitverzweigte Familiengeschichte: Ahnenforscher weisen für ihn italienische, spanische, französische, kubanische und afrikanische Wurzeln nach.
Der dritte Sohn einer "gut katholischen" Chicagoer Familie wuchs mit den älteren Brüdern John und Louis auf. Mutter Mildred (1911-1990) war studierte Lehrerin und Bibliothekarin, Vater Louis (1920-1997) ebenfalls Lehrer.
Schon der kleine "Bob" soll Gottesdienste am Bügelbrett gefeiert haben, später war er Ministrant im Sonntagsgottesdienst. "Aber meine Mutter hat uns auch wochentags zur Messe um 6.30 Uhr geweckt. Hier den Altardienst zu übernehmen, hat mir sehr viel Freude gemacht", so Leo XIV. In der Schule glänzte der Junge mit den braunen Augen in allen Fächern und half auch anderen, erinnern sich ehemalige Mitschülerinnen und Mitschüler. Gelegentlich blitzte der Spaßvogel mit trockenem Humor auf, während er sich insgesamt eher zurückhaltend gab.
Nach seinem Studium der Mathematik und Philosophie entschied sich Prevost für den Eintritt in den Augustinerorden und das Theologiestudium in Chicago. Damit begann seine Zeit als Pendler zwischen drei Kontinenten: Ab 1982 studierte er in Rom Kirchenrecht, wo er auch zum Priester geweiht und promoviert wurde. Nach Peru sandte ihn sein Orden erstmals 1985, dann für zwei Jahre in seinen Heimat-Bundesstaat Illinois, und ab 1988 für elf Jahre als Ausbildungsleiter des Ordens, Professor und Mitarbeiter am Kirchengericht nach Trujillo.
2001, Prevost war gerade Mitte 40, wurde er zum Generalprior der Augustiner mit Sitz in Rom gewählt. 2014 machte ihn Papst Franziskus zum Bischof von Chiclayo in Peru, wo er sich intensiv um die von Armut und Naturkatastrophen betroffene Landbevölkerung, um Migranten und Bedürftige kümmerte - bis ihn der Papst Anfang 2023 zum Präfekten des Dikasteriums für die Bischöfe und zum Präsidenten der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika machte. Im September desselben Jahres wurde er in das Kardinalskollegium aufgenommen.
Ebenso nahm Prevost an der Weltsynode zu mehr Teilhabe aller Gläubigen in der katholischen Kirche teil; als Papst will er den von seinem Vorgänger begonnenen Prozess fortsetzen - wie weit sein Reformwille geht, bleibt abzuwarten.
Als Weltbürger zeigte sich Leo XIV. schon am Wahlabend, als er auf der Mittelloggia des Petersdoms auf Italienisch nicht nur das ikonische "Der Friede sei mit euch allen" sprach, sondern seine "geliebte Diözese" Chiclayo grüßte - auf Spanisch. In seiner Muttersprache Englisch äußerte sich der neue Papst am nächsten Tag. Inzwischen wechselt er nach Bedarf zwischen den drei Sprachen. Dass er gut Französisch spricht, demonstrierte er kürzlich bei einer Audienz für Ministranten aus Frankreich. Ebenso soll ihm Portugiesisch geläufig sein.
Als Augustiner-Chef besuchte er praktisch alle Ordensniederlassungen weltweit, darunter auch jene im deutschsprachigen Raum, wo er sich - so berichten Ordensbrüder - durchaus verständigen konnte.
Den Menschen begegnet er offen, herzlich und als ein Papst auf Augenhöhe. Er zeigt nicht die Spontanität eines Franziskus, sondern zeigt einen eher leisen Humor. Sympathie erwirbt sich Leo bei den Menschen, wenn er über seine Unerfahrenheit im neuen Job scherzt oder bei seinen Papamobil-Fahrten auf dem Petersplatz Babys und Kleinkinder segnet.
Der erste Babyboomer im Papstamt rückt seinen Schäfchen nicht nur altersmäßig näher, sondern kennt ihre Lebenswirklichkeit aus eigener Erfahrung. Lange nutzte er Soziale Medien, trägt eine Sportuhr, und auch kabellose Kopfhörer sind ihm nicht fremd.
Selbst in seinem langen weißen Gewand wirkt der Hobby-Tennisspieler und geübte Reiter sportlich; seine Fitness trägt der Fan des Baseball-Teams der Chicago White Sox manchmal wie eine Monstranz vor sich her - buchstäblich: So bei der langen Fronleichnamsprozession durch Roms Straßen. Beim Weltjugendtreffen Anfang August erklomm er die steilen Stufen zur Altarbühne mit dem hölzernen Pilgerkreuz.
Ebenso liebt er Musik und Malerei, verwies zum Beispiel in einer seiner ersten Ansprachen auf Vincent Van Goghs "Sämann bei Sonnenuntergang". Auch spielt er Klavier und ist gut bei Stimme, wie er schon bei seinem ersten Apostolischen Segen offenbarte. Ein in Sozialen Netzwerken geteiltes Video zeigt den damaligen Bischof von Chiclayo auf einer Bühne, beherzt "Feliz Navidad" ins Mikro singend.
Aber auch die westliche Popkultur ist nicht spurlos an dem Chicagoer vorbeigegangen. So erwähnte er im Juli den Song "Pipes of Peace" von Paul McCartney. Hinweise auf seinen Medienkonsum lieferte Jonathan Roumie, Jesus-Darsteller der US-Bibelserie "The Chosen": Nach seiner Papst-Audienz erzählte er, sein Landsmann verfolge die Serie. Und den Film "Konklave" habe Prevost vor der Papstwahl gesehen, heißt es.
Zugleich ist Leo XIV. ein sehr spiritueller Mensch mit Faible für Marienverehrung und die Theologie des Kirchenvaters Augustinus. Und er kann Gefühle zeigen. Bei seiner Einführungsmesse am 18. Mai nahmen die Menschen auf dem Petersplatz staunend wahr, dass dem Oberhaupt der 1,4 Milliarden Katholiken Tränen in den Augen standen - möglicherweise angesichts der Herausforderungen, die das Amt mit sich bringt. "Ich komme mit Furcht und Zittern zu euch als ein Bruder", sagte er in seiner Predigt.
Mehr Einheit in der katholischen Kirche, Liebe zu Gott und den Menschen, weltweiter Frieden: Hauptziele seines noch jungen Pontifikats. Erreicht Leo XIV. das Alter seiner drei Vorgänger, bleiben ihm dafür mindestens eineinhalb Jahrzehnte.
Quelle: kathpress