
Suizidprävention: Wie man junge Menschen in Krisen stärkt
Auf die wachsende psychische Belastung junger Menschen und darüber, wie ihnen in Lebenskrisen effektiv geholfen werden kann, machen zum nahenden Weltsuizidpräventionstag am 10. September die Telefonseelsorge mehrerer Diözesen sowie weitere Fachstellen aufmerksam. Ängste, Überforderung und Unsicherheit führen bei immer mehr Jugendlichen zu psychischen Krisen, oft verbunden mit Rückzug, Einsamkeit bis hin zu Suizidgedanken. Ein erster hilfreicher Schritt wäre es, ins Gespräch zu kommen, raten die Experten.
"Die enorme Dichte an Krisen und das erdrückende Gefühl, dass keinerlei Beruhigung in Sicht ist, haben Spuren hinterlassen", stellte Marlene Korsin von der Telefonseelsorge Salzburg fest. Vielen Jugendlichen falle es schwer, zwischen Selbstoptimierungsdruck, sozialen Vergleichen und realen Zukunftsängsten wie etwa vor Krieg, Klimawandel oder ökonomischer Unsicherheit ihren Weg zu finden. Von vermehrten Ängsten und anderen seelischen Belastungen berichtete auch Barbara Lanzerstorfer-Holzner von der Telefonseelsorge OÖ. Viele Studien zeigten, dass sich die psychische Gesundheit von Jugendlichen in Österreich wie auch international verschlechtert habe.
Suizid stellt bei Jugendlichen die momentan zweithäufigste Todesursache in Mitteleuropa dar, berichtete der Leiter der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Wien, Prof. Paul Plener, bei einer am Dienstag einberufenen Pressekonferenz. 2023 nahmen sich in Österreich 32 Menschen unter 20 Jahren das Leben. "Etwas mehr als ein Drittel berichtet davon, zumindest schon einmal darüber nachgedacht zu haben, sich das Leben nehmen zu wollen", so Plener. Suizidversuche würden in Schulstichproben von etwa acht Prozent der Jugendlichen genannt. Die Covid-19-Pandemie habe die Situation zusätzlich verschärft.
Verzweiflung mittragen
In akuten Krisensituationen ist es laut den Fachleuten entscheidend, den Kontakt zu suchen - gerade, weil dieser "meist ein Stück im Widerspruch zur Selbsttötungsabsicht" steht, wie es von der Telefonseelsorge Salzburg heißt. Die Erfahrung, gehört und verstanden zu werden, könne aus gefühlter Ausweglosigkeit herausführen und entlastend wirken. "Ein Mensch in einer suizidalen Krise sucht ein Gegenüber, das ihn versteht, seine Verzweiflung akzeptiert und erträgt", erklärte Michaela Koller, Psychotherapeutin und Leiterin der Hilfseinrichtung. Die Möglichkeit, belastende Gefühle auszusprechen, könne selbst aus gefühlter Ausweglosigkeit herausführen, entlasten und stabilisieren.
Wie die Expertin weiter erklärte, ist das Gehörtwerden und sich als verstanden erfahren zudem auch eine "wichtige Beziehungserfahrung". Wer in Krise sei und sich aussprechen wolle, benötige Sicherheit, akzeptiert und willkommen zu sein, sowie auch ein Gegenüber, das "zuhören, ohne gleich von sich selbst zu reden" sollte, Anteil nimmt, sich einfühlt und gegebenenfalls das Schweigen aushält - und zwar "mit voller Aufmerksamkeit und beraterischer Professionalität", so Koller. Alles besser zu wissen, schnelle Lösungen zur Hand zu haben oder selbst krisenhaft zu werden, sei hingegen oft keine echte Hilfe.
Lebensrettendes Gespräch
Eltern sollten das Thema Suizid behutsam, aber direkt ansprechen, wenn sie sich Sorgen machen, raten die Experten. Oft seien Jugendliche jedoch gar nicht bereit, ihre Probleme mit ihnen oder Freunden zu besprechen, aus Angst, diese zu belasten. Genau hier setzen niedrigschwellige Angebote wie die Telefonseelsorge an. "Jugendliche, die in eine suizidale Krise geraten, wollen meist nicht wirklich sterben. Sie erleben aber einen unerträglichen seelischen Schmerz", sagte Klemens Hafner-Hanner, Leiter der Familienberatung bei der Linzer diözesanen Familienberatungsstelle BEZIEHUNGLEBEN.AT. Schweigen könne gefährlich sein, darüber zu reden hingegen lebensrettend.
Das Angebot der Telefonseelsorge dazu ist auch für Jugendliche und junge Erwachsene äußerst niederschwellig. Die psychosoziale Beratung ist rund um die Uhr, kostenlos, ohne Anmeldung und anonym erreichbar - telefonisch unter der Rufnummer 142, sowie online via Chat (https://onlineberatung-telefonseelsorge.at, täglich 16-23 Uhr) und WhatsApp (0660/142 0 142). Die Beraterinnen und Berater begleiten auch schwere Themen einfühlsam, um bei Problemen von Schulstress und Ängsten über Mobbing bis hin zu Einsamkeit und Trauer rasch Rat und professionelle Hilfe zu geben.
(S E R V I C E - Sie sind in einer verzweifelten Lebenssituation und brauchen Hilfe? Sprechen Sie mit anderen Menschen darüber. Die Telefonseelsorge ist rund um die Uhr und gebührenfrei unter der Notrufnummer 142 erreichbar sowie unter www.telefonseelsorge.at. Hilfsangebote für Personen mit Suizidgedanken und deren Angehörige bietet das Suizidpräventionsportal des Gesundheitsministeriums unter www.suizid-praevention.gv.at.)
Quelle: kathpress