
Wiener Ostkirchenkonferenz: Politisches Bekenntnis zur Ukraine-Hilfe
Im Zeichen der Solidarität mit der Ukraine stand am Mittwochnachmittag (10. September) im Wiener Erzbischöflichen Palais eine Begegnung der Teilnehmer der Vollversammlung der Bischöfe der katholischen Ostkirchen Europas mit Vertreterinnen und Vertretern der Politik. Patrick Lobis, Leiter der Vertretung der EU-Kommission in Österreich, hielt wörtlich fest: "Die EU steht unerschütterlich an der Seite der Ukraine und ihres Volkes und dies wird auch in Zukunft so sein." Ähnlich äußerte sich Österreichs Europa- und Integrationsministerin Claudia Plakolm: "Österreich steht an der Seite der Menschen, die unter Krieg, Flucht und Verlust leiden. Mit Anteilnahme, mit konkreter Hilfe, mit offenem Herzen."
Thematischer Schwerpunkt der Begegnung im Palais waren die gegenseitigen Erwartungen von Kirche und Politik im Blick auf die künftige Entwicklung Europas. Plakolm - als "Kultusministerin" für die Beziehungen zu Kirchen und Religionen zuständig - skizzierte in ihren Ausführungen das kooperative Verhältnis des Staates zu den Kirchen und Religionen, das auf drei Säulen stehe: "Ordnung, Offenheit, Einheit". Der Staat sei weltanschaulich neutral, "aber nicht gleichgültig", so Plakolm: "Er schützt Freiheit, setzt Grenzen und sorgt für Fairness".
In vielen Staaten herrsche die Auffassung, dass die Trennung von Kirche und Staat bedeute, dass man sich von allen Kirchen und Religionen möglichst weit fernhalten sollte. In Österreich sei dies anders, so Plakolm: "Wir wollen mit allen Religionen eng zusammenarbeiten. Die Kirchen und Religionsgemeinschaften sind Partner im Gemeinwohl." Wo Ordnung und Offenheit zusammenkommen, entstehe Einheit, so die Kultusministerin weiter. Das bedeute nicht Gleichmacherei, sondern die Suche nach dem, was verbinde.
Demokratien unter Druck
Die Rolle der Kirchen bei der Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts hob auch Patrick Lobis hervor. Er vertrat bei der Konferenz den kurzfristig verhinderten EU-Kommissar Magnus Brunner. Der russische Angriff auf die Ukraine habe auf erschreckende Weise gezeigt, wie verwundbar Europa sei. "Heute leben wir in einem Europa, das von Osten her bedroht wird, das die Beziehungen im Westen neu denken muss und auch die Auswirkungen des Krieges in Nahost zu spüren bekommt", so der EU-Diplomat. Diese Entwicklungen setze die europäischen Demokratien unter Druck. "Wir haben es mit neuen Herausforderungen zu tun, und auch zunehmende Radikalisierung und wachsender Extremismus geht damit einher. Wir werden Zeuge einer starken Polarisierung, von Anti-Immigrationsbewegungen, unverhohlenem Populismus und aufflammendem Nationalismus."
Diese spannungsgeladene Situation teste Europas grundlegende Werte: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Grundrechte, so Lobis, der seit dem Frühjahr 2025 die Vertretung der EU-Kommission in Österreich leitet. Nachsatz: "Dieser Entwicklung müssen wir entschieden entgegentreten."
In dieser Zeit zunehmender Polarisierung und globaler Krisen komme den Kirchen in Europa besondere Bedeutung zu. Kirchen seien Orte der Begegnung. Gerade in einer vielfältigen, offenen Gesellschaft würden sie verbinden, statt zu spalten, sie würden Brücken bauen zwischen Kulturen, Generationen und verschiedenen sozialen Gruppen, so Lobis und fügte hinzu: "Es ist die Verantwortung von uns Politikern, Lösungen anzubieten, die funktionieren. Aber wir wissen auch: ohne zivilgesellschaftliche Kräfte geht es nicht: bei der Integration, in der Begleitung von Menschen in schwierigen Lebenslagen, in der aktiven Förderung von Respekt, Toleranz und Mitmenschlichkeit."
Er danke allen kirchlichen Akteuren, "die sich für ein versöhntes, solidarisches Europa einsetzen". Der Einsatz der Kirchen sei unverzichtbar.
Großerzbischof: "Solidarität rettet Leben!"
Der ukrainische Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk dankte in seinen Ausführungen im Namen des ukrainischen Volkes Österreich und der EU für die Hilfe und Solidarität. Der Krieg sei "Gotteslästerung", die Ukraine befinde sich in einer unbeschreiblichen Situation, und trotzdem sei, auch dank der Hilfe aus dem Ausland, zumindest noch niemand an Kälte oder Hunger gestorben. Die ukrainischen Soldatinnen und Soldaten an der Front würden nicht nur ihr eigenes Land, sondern ganz Europa verteidigen, zeigte sich Schewtschuk überzeugt. Der russische Angriff gelte dem gesamten Westen.
Die Ukraine sei zutiefst verwundet und müde, aber sie halte stand, betonte das Kirchenoberhaupt. Und er fügte den Appell hinzu: "Bitte werden Sie nicht müde zu helfen, Ihre Solidarität rettet Leben!"
Kardinal Christoph Schönborn bekannte sich zu dieser Solidarität mit dem ukrainischen Volk und führte aus, dass die gegenwärtigen Entwicklungen zeigten, dass Friede und Wohlstand alles andere als selbstverständlich seien. Er dankte dabei der österreichischen Regierung wie auch den Verantwortlichen auf europäischer Ebene, "dass es bei uns ein so gutes Miteinander gibt". Schönborn plädierte dafür, die Kooperation von Staat und Kirche weiter zu intensivieren.
Kardinal Gugerotti, Präfekt des Dikasteriums für die orientalischen Kirchen, gab in seinem Impulsvortrag Einblicke in die Prinzipien der vatikanischen Diplomatie. Zum einen gehe es um den engen Kontakt zu den jeweiligen Ortskirchen, zweitens aber auch um den Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit für alle Menschen weltweit, unabhängig von jeder Religionszugehörigkeit. Der Präfekt und langjährige Vatikandiplomat ortete jedoch auch eine Entfremdung der politischen Eliten von den Bevölkerungen und sprach von einer besorgniserregenden Entwicklung. Aufgabe der vatikanischen Diplomatie sei es deshalb auch, der Politik einen Spiegel vorzuhalten, so Gugerotti.
An der Begegnung im Palais nahmen neben den Teilnehmenden der Bischofsvollversammlung u.a. auch die österreichischen Bischöfe Wilhelm Krautwaschl und Stephan Turnovszky, Bischofskonferenz-Generalsekretär Peter Schipka sowie Kultusamtsleiter Florian Welzig und die Nationalratsabgeordnete Gudrun Kugler teil.
Am Donnerstag (11. September) endet die diesjährige Vollversammlung der Bischöfe der katholischen Ostkirchen Europas in Wien. Das Treffen steht unter der Schirmherrschaft des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE). Die Bischöfe tagten auf Einladung von Kardinal Christoph Schönborn in der Bundeshauptstadt. Das Bischofstreffen stand unter dem Generalthema "Einheit in Vielfalt" und hatte sowohl innerkirchliche als auch gesellschaftspolitische Akzente. Mehr als 65 Bischöfe der verschiedenen katholischen Ostkirchen sowie zahlreiche weitere Führungskräfte waren nach Wien gekommen.