
Zulehner: Erstes Schreiben von Leo XIV. womöglich zur Digitalisierung
Der emeritierte Pastoraltheologe Paul Zulehner hält es für wahrscheinlich, dass sich Papst Leo XIV. in seiner ersten Enzyklika mit den gesellschaftlichen Auswirkungen der Digitalisierung auseinandersetzen wird. Dies erklärte er bei einer Veranstaltung des Katholischen Bildungswerks (kbw) in Kooperation mit dem Bildungshaus St. Hippolyt in St. Pölten, wie aus einer Aussendung vom Montag hervorgeht. Unter dem Titel "Wohin führt uns Papst Leo?" teilte Zulehner seine Einschätzungen zum neuen Pontifikat mit einem zahlreich erschienenen Publikum, unter dem auch Weihbischof Anton Leichtfried zu finden war.
Zulehner ließ die Papstwahl vom vergangenen Mai Revue passieren und analysierte dessen ersten programmatischen Ansagen kurz danach. Als Akzente enthalten seien darin eine stärker auf Jesus Christus ausgerichtete Spiritualität statt eines allgemeineren Gottesbegriffs, der in interreligiösen Dialogen oft gewählt werde; eine synodale Einbeziehung des Kirchenvolks, bei der die besondere Rolle der Bischöfe gewahrt bleibe - mutmaßlich ein Zeichen des Entgegenkommens an konservativere Kreise; sowie eine klare Fortführung der "liebevollen Sorge für die Geringsten und Ausgestoßenen", wie sie bereits Papst Franziskus zu einem Grundanliegen gemacht hatte.
Besondere Aufmerksamkeit widmete Zulehner dem Verhältnis der Kirche zur gegenwärtigen Welt. Der neue Papst, so seine Einschätzung, werde den "mutigen und vertrauensvollen Dialog mit der heutigen Welt", der bereits im Zweiten Vatikanischen Konzil gefordert worden sei, weiterführen. Dabei könnten aktuelle globale Herausforderungen wie der Einsatz Künstlicher Intelligenz eine zentrale Rolle spielen. Papst Leo XIV. hatte in einem Interview die Digitalisierung mit den gesellschaftlichen Umbrüchen der industriellen Revolution verglichen, auf die Papst Leo XIII. 1891 mit der Sozialenzyklika Rerum novarum reagierte. In bewusster Anlehnung daran habe er auch den Namen Leo gewählt, erklärte Zulehner.
Aus diesem Zusammenhang leitete Zulehner die Vermutung ab, dass Papst Leo XIV. sein erstes Lehrschreiben der Digitalisierung widmen könnte, und es könnte womöglich ähnlich profund werden wie die wegweisende Enzyklika "Laudato si" von Papst Franziskus zur ökologischen Krise. Damit könnte das neue Pontifikat - wenn auch weniger kreativ und performativ als jenes seines Vorgängers - eine ebenso tiefgreifende Auseinandersetzung mit einem Schlüsselthema der Gegenwart beginnen und strukturell absichern, so der Theologe.
In der anschließenden Diskussion betonte Zulehner die Relevanz kirchlichen Engagements in einer Zeit des Umbruchs. Er sehe die Kirche heute durchaus als "Auslaufmodell" - jedoch nicht im Sinne eines überholten Systems, sondern als ein Kirchenschiff, das erneut mutig aus dem sicheren Hafen auslaufen müsse, um bei den Menschen zu sein, "die mit Wind und Wellen kämpfen". Das Pontifikat von Leo XIV. könne dafür in geistlicher wie gesellschaftlicher Hinsicht Orientierung geben.
Quelle: kathpress