
Experten: Christliche Liturgie sollte stärker auf Judentum Bezug nehmen
Mit einem Plädoyer, in christlichen Gottesdiensten stärker auf das Judentum als Teil der göttlichen Offenbarungsgeschichte Bezug zu nehmen und so zugleich Momente des Antijudaismus im Christentum zu bekämpfen, wurde am Montagvormittag ein Liturgie-Symposion in Salzburg eröffnet. Die Tagung "'Gepriesen sei der G'tt Israels'. Liturgie, Verkündigung und Glaubensvermittlung im Angesicht des Judentums" wird von der Liturgischen Kommission Österreichs in Kooperation mit dem Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit veranstaltet und dauert bis 30. September. Eröffnet wurde sie am Montag vom zuständigen Liturgie-Bischof Anton Leichtfried (St. Pölten) gemeinsam mit Bischof Manfred Scheuer. Den Eröffnungsvortrag hielt der Schweizer Jesuit und Judaist Christian Rutishauser.
In seiner thematischen Hinführung betonte Bischof Scheuer, dass es aus christlicher Sicht angesichts von Antijudaismus und Antisemitismus zu "rekonstruieren und destruieren" gelte, "was christliche Liturgieverkündigung angerichtet hat". Schließlich gebe es neutestamentliche Texte u.a. im Matthäus- und Johannes-Evangelium mit "stark judenfeindlichen Tönen", die - auch durch ihre Rezitation in christlichen Gottesdiensten - eine "verheerende Wirkungsgeschichte" entfaltet hätten. Diese Kontexte und die Wirkungsgeschichte "dürfen wir nicht ausblenden, nicht vergessen, nicht kleinreden und schon gar nicht rechtfertigen", so Bischof Scheuer.
Gewiss gebe es an entscheidenden Stellen etwa in den Gottesdiensten der Karwoche Rekurse auf jüdische Motive und eine damit verbundene "Rückkehr zu den gemeinsamen Wurzeln"; diese Motive sowie Besinnung auf die "anamnetische Kultur" des Judentums und sein Eingedenken des Leidens und der Opfer könnte jedoch noch präsenter sein.
Jesus war Jude
Aufgegriffen wurde dieser Faden vom Schweizer Jesuiten und Judaisten Rutishauser, der anhand zahlreicher Beispiele verdeutlichte, wie sehr das christliche Selbstverständnis bis hinein in die Feier der Gottesdienste von Bezügen zum Judentum zehre: "Nicht nur Jesus war Jude, die Evangelien sind jüdisch-messianische Schriften", so Rutishausers prägnanter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des als Altes Testament bekannten Schriftkanons. Oftmals fehle in christlichen Liturgien dieses Bewusstsein und "der Mut, Gott als Gott Israels anzusprechen".
Es gebe eine "Parallelität" zwischen Judentum und Christentum und einen "gemeinsamen Auftrag", der viel zu selten deutlich werde, nämlich die Kunde vom verheißenen Land zu verbreiten. "Das Judentum ist Teil der Offenbarungsgeschichte" - und Antijudaismus aus dieser Perspektive "eine Verdrängung, dass wir selbst auf das Judentum verwiesen sind", so Rutishauser. "Offenbarung ist eben nicht nur im Christentum - und vor allem kommt sie nicht erst mit der Inkarnation."
Daher bestehe auch eine "reiche Komplementarität", die es erlauben würde, Texte der hebräischen Bibel stärker im christlichen Gottesdienst zu rezipieren. Einen entsprechenden konkreten Vorschlag, dem Rutishauser viel abgewinnen kann, hatte der emeritierte Wiener katholische Theologe und Alttestamentler Georg Braulik bereits in den 1990er Jahren gemacht, indem er für die Sonntage drei Lesungen vorschlug: Eine Bahnlesung aus der Thora, eine Bahnlesung aus dem Neuen Testament und eine Lesung aus dem Alten oder Neuen Testament. So würde die "gegenseitige Verwiesenheit" stärker zum Ausdruck kommen, so Rutishauser. "Ich finde, das ist bis jetzt der beste Vorschlag zu einer Reform."
Weitere Referenten der Tagung sind u.a. Alexander Deeg ("Die Hebräische Bibel, die bleibende Erwählung Israels und der christliche Gottesdienst. Überlegungen zu liturgischer Haltung und Hermeneutik") und Harald Buchinger ("Ostern zwischen Popule meus und Israelitica Dignitas: Heilsgeschichte feiern im Angesicht Israels"). Workshops und eine Podiumsdiskussion runden die Tagung ab. Außerdem wird Willy Weisz, Vizepräsident im Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit, als jüdischer Beobachter das Symposion begleiten und am Ende seine Sicht einbringen. (Infos: www.liturgie.at)
Quelle: kathpress