
Bischof Scheuer zu 80 Jahre Kriegsende: "Friede ist kein Selbstläufer"
Mit einem eindringlichen Appell zum Erinnern und zur Verantwortung für kommende Generationen hat Bischof Manfred Scheuer am Donnerstag im Linzer Landhaus der Opfer von Krieg und NS-Terror gedacht. Den Anlass des Gedenkaktes boten 80 Jahre Kriegsende, 70 Jahre Staatsvertrag und 30 Jahre EU-Beitritt. "Wir erinnern uns, damit die Schrecken des Zweiten Weltkrieges und der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft ihre mahnende Kraft behalten, damit wir uns über die Verführbarkeit des Menschen, seine Fähigkeit zu unmenschlichen Taten und seinen Mangel an Mut nicht täuschen", sagte Scheuer. Der 6. Mai 1945 sei für Oberösterreich ein "Tag der Befreiung" gewesen. Zugleich erinnerte der Bischof an Widerstand, Solidarität und Gastfreundschaft, warnte aber: "Der Friede ist kein Selbstläufer."
Neben Scheuer sprach im Linzer Landhaus zudem der evangelische Superintendent Gerold Lehner. Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer sowie Landtagspräsident Max Hiegelsberger lobten die "Bereitschaft zum Miteinander und einem grundsätzlichen Zusammenhalt". Die Gedankenfeier galt als Höhepunkt des Gedenkjahres und wurde vom ORF Oberösterreich live in ORF2 übertragen.
Scheuer erinnerte in seinen Worten besonders an die Opfer von Terror, Krieg, Verfolgung und Deportation sowie an jene, "die der Barbarei standgehalten haben, das Unrecht nicht mitmachen wollten, ihm Widerstand leisteten und die unschuldig Verfolgten geholfen haben". Zur Erinnerungskultur in Oberösterreich gehören laut Scheuer auch Orte wie der Steinbruch und die Todesstiege im KZ Mauthausen, die zahlreichen Nebenlager wie Gusen und Aigen sowie das Schloss Hartheim. Zur Geschichte zähle auch die "Mühlviertler Hasenjagd" vom Februar 1945. Diese Ereignisse hätten gezeigt, dass der Terror nicht "importiert" war: "Die Grenze zwischen denen, die Häftlinge versteckten (...) und denen, die mit auf der Jagd waren, ging durch Dörfer, Verwandtschaften oder auch Familien hindurch." Besonders strich der Linzer Bischof jene Menschen heraus, die in der NS-Zeit ihr Leben für die Rettung anderer riskierten oder "in Zeiten der großen Not und des Hungers" konkrete Solidarität und Gastfreundschaft gezeigt hatten.
Dankbarkeit sei angebracht für die Befreiung Österreichs 1945, für die Friedenszeit seither sowie für den Aufbau von Demokratie, Rechtsstaat und sozialer Partnerschaft. Diese Errungenschaften seien "ganz und gar keine Selbstverständlichkeit, sondern müssen täglich verteidigt werden". Und weiter: "Wir sollten nicht zu denen zählen, die dem Faszinosum des Gegeneinanders, des Konfliktes und des Krieges nachtrauern. Ich sehe in der Versöhnung der Gegner eine große Lernbereitschaft und in der Fähigkeit zum Kompromiss, der damit auch verbunden ist, einen großen Fortschritt. Kompromisse sind nicht nur faul oder feige, sondern Ausdruck des Willens zum Miteinander und zur Versöhnung", so Scheuer.
Auch 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bleibe es Aufgabe, den Frieden zu sichern und zu fördern, so Scheuer. "Wir wissen: Es gibt keinen dauerhaften Frieden ohne Gerechtigkeit, ohne den Schutz der Menschenrechte, ohne Freiheit und ohne die Achtung des Rechts."
Quelle: kathpress