
KPH-Rektorin: Lob des Lehrberufs hat schalen Beigeschmack
Der "Weltlehrer:innentag", zu dem alljährlich am 5. Oktober ein "Lob des Lehrberufs" angestimmt wird, hinterlässt einen schalen Beigeschmack und zeigt bei genauer Betrachtung eine "tiefe Ambivalenz": Das hat die Rektorin der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule (KPH) Wien/Niederösterreich, Ulrike Greiner, in einem Gastbeitrag in der "Presse" (Ausgabe vom 4. Oktober) betont. Es gebe zumindest drei "ausgeblendete Schatten", die es auszuleuchten gelte, um ein ausgewogenes Bild des Lehrberufs "zwischen Heroisierung und Missachtung" zu gewinnen.
Der erste "Schatten" sei ökonomischer Natur: Es gebe schlichtweg zu wenig Unterstützungsressourcen "für zu viele Probleme im Schulalltag", so Greiner. Dazu zählten Lernprobleme bei Schülerinnen und Schülern ebenso wie die wachsenden psychologischen Herausforderungen. Doch es komme nicht nur auf ein Mehr an personellen Ressourcen an, sondern es gehe auch um die Qualität: "Man braucht viele hochkompetente Lehrpersonen, um einige nicht kompetente wettzumachen, die menschlich und juristisch mehr Kraft kosten als die Unterstützung der kompetenten und engagierten Profis im Lehrberuf", räumte die Rektorin ein.
Gewiss gebe es viele hoch engagierte Lehrpersonen, fügte sie hinzu - allein: das aktuelle Schulsystem belohne weder Engagement noch Qualifikation durch besondere Karrierechancen oder Gehaltsverbesserungen. "Die wirklich Engagierten können damit leben, aber wer weiß, wie lang noch."
Ein weiterer "Schatten" betreffe die damit zusammenhängende "Missachtung von Exzellenz" im Lehrberuf: Andere Professionen wie etwa jene von Ärztinnen und Ärzten oder Richterinnen und Richtern seien hoch angesehen und niemand käme auf die Idee, deren Fachkompetenz oder Objektivität in Zweifel zu ziehen oder gar einen "Quereinstieg" zu eröffnen, wie dies beim Lehrberuf der Fall ist. Greiner: "Die Sozialgeschichte des Lehrberufs, die eine Mischung überzogener Erwartungen (Tugendkataloge für das Privatleben) und dürftiger Kompetenzen (bis weit ins 19. Jahrhundert) nachweist, zeigt den mühevollen Weg zum Selbstbewusstsein einer Profession, die sich ihrer eigenen fachlichen Expertise bis heute nicht sicher zu sein scheint."
Der dritte "Schatten" betreffe "überzogene Erwartungen", die an den Lehrberuf herangetragen werden - etwa die Erwartung, "die großen politischen und sozialen Probleme ließen sich hauptsächlich durch tollen Unterricht und gute Bildung lösen". Dies sei eine überkommene Bildungsvorstellung, die in der Realität nicht einlösbar sei, so Greiner. "Schulische Bildung kann nicht wettmachen, was durch Familie, Gesellschaft und Politik verunmöglicht wird." Im Lob des Lehrberufs stecke daher "eine tiefe Ambivalenz, eine unaufgelöste Spannung zwischen Ignoranz, Missachtung und Heroisierung", schloss die KPH-Rektorin.
Quelle: kathpress