
"Scheinheilig": Kunstintervention in Leoben rückt Frauen ins Zentrum
In der Stadtpfarrkirche St. Xaver im steirischen Leoben lädt die künstlerische Intervention "Schein-Heilig" von Oskar Stocker aktuell zu einem visuellen Dialog ein: Sieben Apostelfiguren im Kirchenraum wurden mit lachsrosa Seide verhüllt, ihnen gegenüber stehen zeitgenössische Frauenporträts aus Leoben als lebendiges Gegenstück. Die strahlenden Frauenporträts sollen dabei die historische Dominanz der männlichen Präsenz kontrastieren und Raum für Reflexion über sichtbare und verborgene Rollen in Kirche und Alltag öffnen, heißt es in der Ausstellungsbeschreibung. "Wir wollen darauf hinweisen, welche Rolle Frauen in der Glaubens- und Kirchengeschichte gespielt haben", berichtete Pfarrer und Mitinitiator Markus J. Plöbst dem steirischen "Sonntagsblatt" (aktuelle Ausgabe).
Angefangen habe alles mit einer Frage: Ob es denn in der Stadtpfarrkirche nur Männerheilige gebe, fragte der Porträtkünstler Stocker. Frauenheilige gäbe es viele, doch ihre Statuen stünden in den Seitenaltären, erklärte Plöbst. Gemeinsam beschlossen sie, die Frauen in der Kirche aus der zweiten in die erste Reihe zu holen - Heilige und "Frauen des Alltags" in der Gegenwart. Für die Porträts castete Stocker Frauen aus der Umgebung.
Die Kunstinstallation betont dabei die gewichtige Rolle von Frauen in der Verkündigung des Christentums, die "ganz wesentlich von Frauen ausgegangen ist", betonte Plöbst. Sie waren Zeuginnen der Kreuzigung, am Grab Jesu und die ersten Botinnen der Verkündigung der Auferstehung, doch auch die Heiligengeschichten schrieben die Ungleichbehandlungen fort: "Beispielsweise kennt jeder Franz von Assisi - von Klara hingegen hört man nicht viel. Kaiser Konstantin wird als großer Erneuerer des Christentums angesehen, aber hinter ihm stand seine Mutter, die heilige Helena."
Frauen seien prägende Gestalten eines jeden Menschen, dem sie das Leben schenken - von der Schwangerschaft bis zum Sterben und Tod. Mit der Verhüllung von sieben Aposteln in der Stadtpfarrkirche würde ausgedrückt, dass etwas "überbetont ist in der Kirche - in diesem Fall die Männer", führte Plöbst aus. Sieben Apostelfiguren - die Zahl verweist auf das Vollkommene - treten vor sechs Frauenporträts in den Hintergrund. "Die Ziffer sechs spielt auf das Unvollkommene an, auf das 'Noch nicht' und die ungleiche Behandlung von Frauen - etwa im Bereich der Entlohnung oder der Fürsorge oder Care-Arbeit", erläuterte der Stadtpfarrer.
Eingebunden wird die Kunstinstallation auch in die Leobener 10-Uhr-Sonntagsmessen mit eigens für das Ereignis konzipierten Predigten. Die Kirche sei nämlich kein Museum. "Kunst und Kirche sind ein Ort der Gottesbegegnung, der Verkündigung", so Plöbst.
Nach den Messen wird zusätzlich ein Begleitprogramm (ab 11 Uhr) angeboten, das sich mit Gedanken zur Ausstellung bis zu Reflexionen über das Leben, das Sein, die Kirche, den Tod und die Liebe beschäftigt. Der für Tirol und Vorarlberg zuständige IKG-Präsident Günter Lieder wird sich dem Thema Schönheit widmen (12. Oktober), der Priester und Theologe Matthias Beck Grundfragen des Christentums (19. Oktober). Die bekannte Schriftstellerin Marlene Streeruwitz behandelt zum Ende der Ausstellung das Thema Liebe (16. November).
Quelle: kathpress