
"Trompete von Jericho" an David Steindl-Rast und Martin Lintner verliehen
Für ihren Einsatz für eine erneuerungsfähige und spirituell tief verwurzelte Kirche sind der Benediktinermönch David Steindl-Rast (99) und der Südtiroler Moraltheologe Martin M. Lintner (53) am Freitagabend in Enns mit der "Trompete von Jericho" der österreichischen Kirchenreformbewegungen ausgezeichnet worden. "Wir sind Kirche", Pfarrerinitiative, Laieninitiative und "Priester ohne Amt" ehren damit seit 2021 jährlich Persönlichkeiten, "denen die Kirche im Bereich von Spiritualität und Spiritueller Theologie viel zu verdanken hat" und die sich mutig für eine Kirche mit Zukunft einsetzen.
Die Festreden hielten der Linzer Psychotherapeut Johannes Neuhauser auf Steindl-Rast und die Salzburger Moraltheologin Angelika Walser auf Lintner. Neuhauser würdigte den bekannten Benediktinermönch Steindl-Rast als "Mann des Dialogs, des Ausgleichs und der Versöhnung", der Krisen nicht mit einem Freund-Feind-Denken, sondern "mit Kreativität" begegne. Steindl-Rast lebe vor, "was es bedeutet, im Hier und Jetzt mutig zu sein und für seine Überzeugungen furchtlos einzustehen, ohne den anderen in eine Ecke zu drängen". Besonders hob Neuhauser die von Steindl-Rast gelebte Haltung der Furchtlosigkeit und Dankbarkeit hervor.
Neuhauser erinnerte auch an die jüdischen Wurzeln des Preisträgers: Steindl-Rasts Mutter sei von den Nationalsozialisten als "Halbjüdin" abgestempelt, eine Tante in Auschwitz ermordet worden. Aus dieser familiären Prägung heraus setze sich Steindl-Rast zeitlebens für ein Leben "in Freiheit, in Würde und in Fülle" ein. Er sei ein spiritueller Lehrer, der "politisch denkend und handelnd" bleibe und in einer Zeit wachsender Bedrohungen der Demokratie "für das Leben" eintrete, würdigte der Psychotherapeut den Ordensmann, der u.a. 2022 mit dem Theologischen Preis der Salzburger Hochschulwochen und 2023 mit dem Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ausgezeichnet wurde.
Lintner: "Theologe der leisen, aber klaren Töne"
Die Salzburger Moraltheologin Walser bezeichnete in ihrer Laudatio Lintner als "Theologen der leisen, aber klaren Töne", der durch wissenschaftliche Integrität, Mut und Unbeirrbarkeit hervortrete. Lintners theologische Arbeit zeichne sich durch "eine leidsensible Moraltheologie" aus, die Menschen ernst nehme, "ihnen Freiheit und Eigenverantwortung zutraut und sich an der Hoffnung des Evangeliums orientiert". Seine Bücher - wie "Den Eros entgiften" oder "Christliche Beziehungsethik" - hätten wichtige Impulse für eine erneuerte katholische Sexualmoral gegeben und "eine zutiefst lebensbejahende Spiritualität" vermittelt.
Der Preis habe ihn überrascht, meinte der Südtiroler Theologe und Dekan der Philosophisch-Theologischen Hochschule (PTH) in Brixen in seinen Dankesworten, der sich selbst als "den Konservativen zu liberal, den Progressiven zu konservativ" beschrieb. Entscheidend sei für ihn jedoch "nicht die Trennlinie zwischen konservativ und progressiv, sondern zwischen dem Evangelium gemäß oder nicht".
Einschüchterungen von Theologinnen "feige und unchristlich"
Lintner plädierte in seinen Dankesworten für eine "vulneranzsensible" Theologie, die "Menschen aufrichtet und ermutigt, nicht entmutigt oder Leid zufügt". Theologie müsse sich kritisch mit den eigenen Traditionen auseinandersetzen und ihr "Verletzungspotenzial" prüfen.
Zugleich warnte der Moraltheologe vor einer Verhärtung theologischer Debatten: "Wir dürfen uns nicht gegenseitig das Katholischsein absprechen." Konkret nannte er Bedrohungen und strukturelle Benachteiligungen von Theologinnen. Ersteres bezeichnete der Ordensmann wörtlich als "schlichtweg feige und unchristlich", sie würden sich "in keiner Weise weder mit den Grundwerten des Evangeliums noch mit einem grundmenschlichen Anstand in Einklang lassen". Letzteres entmutige "talentierte und engagierte Nachwuchstheologinnen". Dies schwäche die Theologie als Ganzes, so Lintner.
Kirchenvolkskonferenz und 30-jähriges Bestehen von "Wir sind Kirche"
Am Samstag findet in Enns auch die diesjährige Kirchenvolkskonferenz statt, die sich der spirituellen Dimension der Kirchenreform widmet. Angelika Walser, Universitätsprofessorin für Moraltheologie und Spirituelle Theologie an der Universität Salzburg, spricht zum Thema "Die Quellen des Muts. Das Potenzial der Mystik für kirchliche Erneuerung".
Im Rahmen der Konferenz wird auch das Jubiläum "30 Jahre nach dem Kirchenvolksbegehren" und das 30-jährige Bestehen von "Wir sind Kirche" gefeiert.
Quelle: kathpress