
Ordensfrau: Menschenhandel gibt es auch in Österreich
Nicht oft ist das Thema Menschenhandel in den Köpfen der Menschen in Österreich präsent. Seit mehr als zehn Jahren erinnert darum die kirchliche Initiative "Aktiv gegen Menschenhandel - aktiv für Menschenwürde" anlässlich des europäischen Tags gegen Menschenhandel (18. Oktober) mit einer Veranstaltung an das Schicksal der Opfer, die es auch hier gibt. Schon am Freitag wird dazu die Ausstellung "PHÖNIX. Auferstehen aus dem Schweigen" von Vivien Kabar in der Tabakfabrik in Linz eröffnet, die körperliche und seelische Gewalt gegen Frauen und Kinder thematisiert. Menschenhandel sei "ein globales Problem, das keine Grenzen kennt" und auch in Österreich Realität sei, betonte Gründerin Sr. Maria Schlackl im Vorfeld im Kathpress-Interview.
"Menschenhandel, im Speziellen Frauen-, Mädchen- und Kinderhandel, gehört zu den abartigsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit", so die Ordensfrau, die viele der betroffenen Frauen und ihre Geschichten aus erster Hand kennt. Die allermeisten hätten unter Abhängigkeit und Zwang zu funktionieren. "Ekel, Scham und oftmals Todesängste sind ihre ständigen Begleiter." Menschenhandel finde auch in Österreich statt, auch wenn viele es sich nicht vorstellen möchten. Mehr als 90 Prozent aller Frauen und Mädchen, die in Österreich als "Sexdienstleisterinnen" verkauft und missbraucht werden, kommen aus dem Ausland, informierte die diplomierte Erwachsenenbildnerin.
"Meist werden die Frauen als Prostituierte gesehen und als Huren oder Nutten bezeichnet, nichts ahnend, wie sehr sie selbst darunter leiden, in diese missliche Lage geraten zu sein", wies Schlackl hin. Der Gang ins Bordell sei hingegen gesellschaftsfähig geworden. "Die Freier, sprich Sexkäufer, oftmals in Partnerschaft lebend, gehen mit der weißen Weste herum - von den Männern als Täter redet kaum jemand." Bei sexueller Ausbeutung bestimme aber die Nachfrage das "Angebot" bzw. den Missbrauch.
Papst Franziskus war "unermüdlicher Mahner"
Ihre vom Verein SOLWODI (Solidarity with Women in Distress) getragene Initiative macht immer wieder durch Vorträge, Diskussionsrunden und persönliche Gespräche den Zusammenhang von Sexkauf und Menschenhandel deutlich. Die vielen Anfragen von Vereinen, Clubs, Pfarren oder höheren Schulen seien ein "Zeichen, dass es bereits ein Sensorium für dieses unfassbare Thema gibt", berichtete Schlackl. Papst Franziskus sei ein "unermüdlicher Mahner" gewesen, der Christinnen und Christen aufforderte, gegen Menschenhandel aktiv zu werden. "Er sagte: Wer dazu schweigt, macht sich zum Komplizen. Eine starke Ansage."
Dennoch: Was die Präventions- und Aufklärungsarbeit der Kirche angehe, gebe es "noch viel Luft nach oben". So würde das Thema etwa in Pastoralkonzepten noch wenig bis gar nicht aufscheinen. "Alle Pfarren sollten sich damit befassen und überlegen, wie sie diese Thematik, die ja für Millionen von Menschen leidvolle Realität ist, pastoral aufgreifen", forderte Schlackl. Ihre Initiative wird etwa am 8. Februar in Kremsmünster bei Gottesdiensten mitwirken und für Fragen und Gespräche zur Verfügung stehen.
"Nordisches Modell"
Das Ziel müsse sein, den Markt für Frauen- und Mädchenhandel in Österreich, in der EU und überhaupt global zu schließen, erklärte die Ordensfrau. Sie sprach sich unter anderem für das sogenannte "Nordische Modell" aus, das auf Entkriminalisierung der Opfer, staatliche Ausstiegshilfen, Aufklärungsarbeit und Bewusstseinsbildung sowie ein Sexkaufverbot beruht. Auch gesetzliche Maßnahmen seien ebenso wie eine Stärkung der internationalen Kooperation mit Strafverfolgungsbehörden unerlässlich, um Straftaten zu verhindern und potenzielle Opfer zu schützen, zitierte Schlackl den Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit im Bundesministerium für Inneres, Franz Ruf.
Jüngste Fälle in Österreich
Aktuell hat das Thema Menschenhandel in österreichischen Medien an Präsenz gewonnen. Am Landesgericht Salzburg ist am Montag ein mehrtägiger Prozess wegen grenzüberschreitenden Prostitutionshandels, Menschenhandels, Zuhälterei, Nötigung und weiterer Delikte gestartet. Sieben Angeklagte, darunter drei Frauen, sollen zumindest 43 Frauen aus Kolumbien von Mai 2021 bis August 2024 mit falschen Versprechungen nach Österreich gelockt, eingeschüchtert, misshandelt und ausgebeutet haben.
Es handelt sich dabei um keinen Einzelfall. Im Mai 2025 wurde ein ungarisches Zuhälterpaar in Wels gefasst, das acht Frauen ausgebeutet hatte. Das Paar nahm ihnen in nur sechs Monaten 40.000 Euro ab. Gegen illegale Prostitution gab es in Wien am 4. Oktober dieses Jahres 570 Anzeigen. Ausgehend von Ischgl wurde am 7. Oktober ein internationaler Menschenhändlerring zerschlagen.
Quelle: kathpress