
60 Jahre "Nostra Aetate": Bleibender Auftrag zum Religionsdialog
Zum 60. Jahrestag der Konzilserklärung "Nostra Aetate" hat der Katholische Akademikerverband der Erzdiözese Wien die katholische Kirche aufgerufen, ihre Haltung gegenüber nichtchristlichen Religionen weiterzuentwickeln und interreligiösen Dialog als gemeinsamen Sendungsauftrag zu verstehen.
Die am 28. Oktober 1965 vom Zweiten Vatikanischen Konzil verabschiedete Erklärung gilt als Wendepunkt im Verhältnis der Kirche zu anderen Religionen. Statt auf eine exklusive Missionsverpflichtung zu pochen, betont "Nostra Aetate" die Pflicht, "Einheit und Liebe unter den Menschen und Völkern zu fördern". Zudem anerkennt das Dokument, dass es in anderen Religionen auch "Wahres und Heiliges" gebe.
Der Verband weist jedoch darauf hin, dass dieser Öffnungsprozess nicht frei von Rückschritten gewesen sei. So hätten etwa die Diskussion um die Karfreitagsfürbitte oder die Regensburger Rede Benedikts XVI. zu Irritationen bei jüdischen und muslimischen Gesprächspartnern geführt. Kritisch gesehen wird auch die jüngste kirchliche Würdigung des umstrittenen spanischen Kardinals Rafael Merry del Val.
Als positive Zeichen hebt der Verband hingegen das interreligiöse Friedensgebet in Assisi und die beiden Treffen von Papst Franziskus mit dem Großimam Ahmad al-Tayyeb hervor. Das gemeinsam unterzeichnete "Dokument über die Geschwisterlichkeit aller Menschen" wird als zukunftsweisend gewertet.
Der Verband spricht sich dafür aus, interreligiösen Dialog auf allen kirchlichen Ebenen dauerhaft zu institutionalisieren. Ziel müsse es sein, das Verbindende zwischen den Religionen zu stärken und daraus einen gemeinsamen Auftrag abzuleiten - für Frieden, Gerechtigkeit und den Schutz der Schöpfung. Dieser Auftrag gründe auf dem Bekenntnis, dass allen Menschen vor Gott die gleiche Würde zukomme.
Zum Jubiläum von "Nostra Aetate" kündigt der Verband mehrere Bildungsinitiativen an. Am 12. November wird der Theologe Roman Siebenrock im Otto-Mauer-Zentrum in Wien zur Entstehung des Dokuments sprechen. Interviews mit Expertinnen und Experten aus dem interreligiösen Dialog werden als Podcast über Studio Omega veröffentlicht.
Bleibender Auftrag gegen Antisemitismus
An die bleibende Verantwortung der Kirche, speziell für den Dialog mit dem Judentum, hat der Kärntner Theologe Michael Kapeller erinnert. Anlass war ein antijüdischer Zwischenfall in einer Kärntner Kirche, bei dem eine Infotafel zum kirchlich-jüdischen Verhältnis beschmiert wurde. "Fest steht für mich, dass wir als Christen allen Formen von Antisemitismus und Antijudaismus entgegentreten müssen", erklärte Kapeller in einem Beitrag für das Institut für kirchliche Ämter und Dienste.
"Nostra Aetate" sei ein "bahnbrechender Text", befand auch Kapeller. Er erinnere daran, dass "Israel ein Teil christlicher Identität ist, christlicher Antisemitismus zu beklagen und abzulehnen ist". Papst Johannes Paul II. habe das bleibende Band zwischen Christentum und Judentum mit dem Begriff der "älteren Brüder im Glauben" umschrieben.
Gleichzeitig mahnte Kapeller Rückschritte in den vergangenen Jahrzehnten an, wobei er hier ebenfalls die 2007 überarbeitete Karfreitagsfürbitte im alten Ritus anführte, in der wieder von Mission an Juden die Rede sei: "Damit bleibt diese Fürbitte deutlich hinter 'Nostra Aetate' zurück." Auch aktuelle Herausforderungen wie der Hamas-Terror vom 7. Oktober 2023 verlangten eine klare Haltung. "Nostra Aetate" erinnere daran, dass Christen "Gott nur anrufen können, wenn wir jeden Menschen als Ebenbild Gottes sehen", so Kapeller.
Quelle: kathpress