Grünwidl: Bei Täuflingen kann man "Gott bei der Arbeit zuschauen"
Auf die besondere Bedeutung der christlichen Taufe hat der künftige Wiener Erzbischof Josef Grünwidl hingewiesen. Sie sei ein völliger Neubeginn sowie ein "Liebesbund und Lebensbund", erklärte der eben erst von Papst Leo XIV. ernannte Nachfolger von Kardinal Christoph Schönborn am Donnerstagabend. Anlass war die zweite diözesane Zulassungsfeier des Jahres zur Erwachsenentaufe. 51 Personen, die sich derzeit auf das Sakrament vorbereiten, waren dazu in Begleitung ihrer Taufpatinnen und Taufpaten, Seelsorgern sowie engen Angehörigen in die Kirche Wien-Neuerdberg gekommen.
Grünwidl verglich die Taufe mit dem im biblischen Buch Genesis geschilderten Aufbruch des Abram auf Gottes Geheiß. Dieser sei damals zum Abraham - übersetzt "Vater der vielen" - und somit zum Stammvater geworden; "es ist der Beginn eines neuen Lebens und einer neuen Identität", sagte der designierte Erzbischof. Auch viele der Taufkandidaten hätten sich einen neuen christlichen Namen für die Taufe ausgesucht, doch würden ausnahmslos alle Täuflinge einen neuen Namen bekommen: "Wer getauft ist, nennt sich Christ, denn mit der Taufe übernehmen wir den Namen von Jesus Christus", erklärte Grünwidl.
Ähnlich wie mit Abraham, schließe Gott auch mit Täuflingen einen Bund und gebe ihnen ein Versprechen. Getaufte seien "ewig verbunden mit Jesus Christus", wobei Gott diesen Lebensbund nie mehr aufkündige, nicht einmal im Tod. Das Kreuz, das einem bei der Eingliederung in die Kirche auf die Stirn gezeichnet werde, sei ein "großes Plus": Die Zusage und das Versprechen Gottes, von ihm nie alleine gelassen und stets begleitet zu werden, sagte der Apostolische Administrator der Erzdiözese Wien. Der Segen sei ein Ruf, den Weg mit Vertrauen zu gehen und zum Segen für andere zu werden.
Viele Wege zum Glauben
Besondere Freude bereiteten ihm Taufkandidatinnen und -kandidaten, weil man bei ihnen "Gott bei der Arbeit zuschauen" könne, betonte Grünwidl. Er verwies auf ihre Glaubensbiografien, die auszugsweise der Feier verlesen wurden: "Bei einem war es das kleine Schutzengerl von der Oma, bei anderen ist es die katholische Ehefrau oder die beste Freundin, die den Anstoß gegeben haben; eine Begegnung mit Papst Franziskus oder eine Pilgerreise nach Lourdes." Zur Gotteserfahrung und Berufung sei für manche auch das Verzeihen im Christentum geworden, viele hätten darüber hinaus das Lesen der Bibel oder das Mitleben in einer Gemeinde als Gründe für die Taufentscheidung angegeben.
Auch einen Auftrag richtete der künftige Erzbischof an alle Anwesenden: Nach der intensiven, mindestens einjährigen Zeit der Vorbereitung auf die Taufe "fängt alles erst an" mit dem gleichzeitigen Empfang von Taufe, Firmung und Erstkommunion, so Grünwidl. Wichtig sei es, dass die Pfarrgemeinden und kirchlichen Gemeinschaften die Neugetauften herzlich aufnehmen, ihnen Raum geben und sie weiter auf ihrem Weg begleiten. Auch diese selbst sollten sich um ein Hineinwachsen bemühen.
Heuer 179 Erwachsenentaufen in Wien
Von den am Donnerstag 51 offiziell für die Taufe in den kommenden Monaten zugelassenen Erwachsenen und Jugendlichen bereiten sich zwei Drittel (32) in Pfarren im Vikariat Wien-Stadt auf das Sakrament vor, der Rest in den Vikariaten Süd (15) und Nord (4). Mit den bereits im Frühjahr zugelassenen 117 Personen und 11 gesondert Zugelassenen gibt es in der Erzdiözese Wien heuer insgesamt 179 Täuflinge über 14 Jahren bzw. im Erwachsenenalter. Davon sind 71 in Österreich geboren, 66 im Iran, die anderen in 23 weiteren Ländern.
Die Erwachsenentaufe, auch Katechumenat genannt, gewinnt seit Jahren an Bedeutung. In der Erzdiözese Wien wird sie begleitet von einem strukturierten Vorbereitungsweg, der die persönliche Auseinandersetzung mit dem Glauben, das Kennenlernen der christlichen Gemeinschaft und regelmäßige Begleitgespräche umfasst. Die Erwachsenentaufe findet in der Regel in der Osternacht statt, der Zulassungsritus markiert dabei einen wichtigen Meilenstein in der rund einjährigen Vorbereitung.
Viele Jugendliche an Taufe interessiert
Ein auffälliges Merkmal der diesjährigen Taufbewerberinnen und -bewerber ist laut dem Diözesanverantwortlichen für den Katechumenat, Daniel Vychytil, die wachsende Zahl junger Österreicherinnen und Österreicher. Etwa ein Viertel der Wiener Katechumenen ist zwischen 14 und 20 Jahre alt, der überwiegende Teil dieser Gruppe in Österreich geboren. "Das ist eine neue Entwicklung, die in den jüngsten Jahren immer stärker wird, auch in anderen westeuropäischen Ländern", so Vychytil im Interview mit der Nachrichtenagentur Kathpress.
Die Motive der jungen heimischen Taufbewerberinnen und -bewerber sind vielfältig, doch häufig sei ein persönliches Suchen nach Sinn, Orientierung und spiritueller Tiefe ausschlaggebend. "Jugendliche gehen anders mit Religion um", beobachtet Vychytil. Entscheidungen zur Taufe gebe es vor allem im urbanen Raum, wo der Kontakt zu kirchlichen Angeboten, Jugendseelsorge oder katholischen Freundeskreisen leichter sei. Zugleich sei die Zahl der Interessierten in anderen Landeshauptstädten wie Linz oder Graz ebenfalls im Steigen begriffen.
Eine wichtige Rolle spiele dabei der schulische Religionsunterricht. Lehrkräfte berichteten, dass sich der Fokus vieler Schüler verändert habe - weniger auf Weltreligionen und Ethik, mehr auf Bibel, Gebet und persönliche Spiritualität. Zwar nähmen am konfessionellen Unterricht überwiegend Getaufte teil, doch wollten sich bisweilen auch andere Jugendliche aus Interesse am Glauben beteiligen. "Das Interesse ist da - und manchmal kommt die Anfrage zur Taufe direkt aus der Klasse", so Vychytil.
Auch der Einfluss sozialer Medien und öffentlicher Glaubenszeichen sei gewachsen. Die Kirche bemühe sich daher, qualitativ hochwertige Online-Angebote und spirituelle Zugänge bereitzustellen, stehe dabei aber erst am Anfang, räumt der Experte ein.
Quelle: kathpress