
Kirchenrechtler: Staat-Kirche-Verhältnis in Österreich zukunftsweisend
Das Staat-Kirche-Verhältnis in Österreich ist trotz aller Trennung von Staat und Kirche als ein "freundschaftliches Kooperationsverhältnis" zu betrachten - und als solches ist es zukunftsweisend. Das hat der Wiener Kirchen- und Religionsrechtler Prof. Andreas Kowatsch im Interview mit der Kärntner Kirchenzeitung "Sonntag" (Ausgabe vom 23. Oktober) betont. "Ich bin überzeugt, dass die Grundidee auch in einer modernen, religiös-pluralen Gesellschaft gut ist. In einem laizistischen System wird Religion völlig ins Private verdrängt - dadurch hat der Staat keinerlei Kontrolle darüber, was in religiösen Subkulturen geschieht".
Dies sei im österreichischen Modell anders, da sich hier anerkannte Religionsgemeinschaften etwa ins Schulsystem einordnen und gewisse öffentlich-rechtliche Kriterien erfüllen müssen, so Kowatsch. "Das ermöglicht Kontrolle, ohne in die Religionsfreiheit einzugreifen." Schließlich habe der Staat ein großes Interesse, dass Religion gerade in einer religiös pluraler werdenden Welt "nicht völlig hinter der Sakristei oder Moschee-Tür stattfindet, sondern dass darauf geachtet wird, was dem Frieden im Land dient und was nicht."
Kirche hat Bestand der Republik Österreich mit abgesichert
In dem Kontext sei auch die Regelung des Staat-Kirche-Verhältnisses im Zuge der Gründung der Ersten Republik in Form eines Konkordats (also des völkerrechtlichen Vertrags zwischen Österreich und dem Heiligen Stuhl) zu verstehen und zu würdigen - auch wenn es bis heute durch manche Teilverträge immer wieder ergänzt und angepasst wurde. Dies betreffe etwa den immer wieder auch öffentlich thematisierten Gegenstand der staatlichen Entschädigungszahlen an die Kirche.
Nachdem die Nationalsozialisten die kirchlichen Vermögenswerte weitgehend säkularisiert und beschlagnahmt hatten, brauchte es nach dem Krieg eine rechtliche Regelung. Eine vollständige Rückgabe dieser Werte hätte die noch junge Republik "finanziell stark gefährdet", so Kowatsch. "Österreich hätte sich das schlicht nicht leisten können." Insofern habe die Kirche, indem sie auf über 90 Prozent des enteigneten Vermögens verzichtete, "zumindest indirekt den Bestand der Republik Österreich mit abgesichert". Dies dürfe die Kirche heute "mit einigem Selbstbewusstsein sagen", so der Kirchenrechtler.
Bis heute relevant sei das Konkordat darüber hinaus im Blick auf alle Bereiche, wo Religion und Staat zusammenarbeiten müssen, um die Religionsfreiheit der Katholikinnen und Katholiken zu gewährleisten - "etwa in der Militärseelsorge oder an den theologischen Fakultäten staatlicher Universitäten", aber auch im Schulwesen und beim Religionsunterricht.
Keine Einwände gegen Josef Grünwidl
Thema wurde das Konkordat zuletzt außerdem im Zuge der Ernennung des neuen Wiener Erzbischofs Josef Grünwidl, insofern dessen Ernennung im Zuge eines Rundlaufbeschlusses im Anschluss an den Ministerrat an die Medien durchsickerte. Tatsächlich räume die Kirche dem Staat per Konkordat "ein gewisses Mitspracherecht bei Bischofsernennungen ein", erläuterte Kowatsch. Schließlich habe der Staat ein Interesse daran, "dass niemand zum Bischof ernannt wird, der etwa in der Vergangenheit verfassungsfeindlich aufgefallen ist."
Daraus ergebe sich das Recht der Bundesregierung, Einwände gegen Kandidaten erheben zu dürfen. "Es geht also darum, zu prüfen, ob ein Kandidat mit den Grundwerten unserer Gesellschaftsordnung vereinbar ist. Wenn wir nun offiziell wissen, dass Josef Grünwidl der neue Wiener Erzbischof wird, heißt das, dass die Bundesregierung dieser Ernennung nichts entgegenzusetzen hatte."
Quelle: kathpress