
Simmer: "Die christlichen Kirchen haben es alle nicht leicht"
Die katholische wie auch die evangelische Kirche sieht sich mit einem Relevanzverlust in der breiten Gesellschaft und Folgen steigender Kirchenaustritte konfrontiert. Darum sei die Zusammenarbeit der Konfessionen sehr wichtig, betonte der niederösterreichische Superintendent Michael Simmer im Interview mit "kirche bunt" (aktuelle Ausgabe). "Die christlichen Kirchen haben es alle nicht leicht. Aber bei den Grundfragen - Frieden, Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung, das christliche Menschenbild - sind wir uns einig. Da sollten wir zusammenhalten."
Auf diözesaner Ebene sei das gute Miteinander in St. Pölten schon seit vielen Jahren gut gelebte Praxis - etwa beim ökumenischen Abendgebet in Großrust, das es seit 25 Jahren gibt. Auch mit Diözesanbischof Alois Schwarz pflege er ein gutes persönliches Verhältnis: "Wir stehen in regem Austausch und nehmen an vielen Veranstaltungen gemeinsam teil. Vielleicht verbindet uns unser gemeinsamer Geburtstag am 14. Juni auch ein wenig", so Simmer.
Auch was die Wiedereinführung des Karfreitags als Feiertag angeht, brauche es eine gemeinsame Initiative mit der katholischen Kirche. Der Karfreitag ist seit 2019 für evangelische, methodistische und altkatholische Christen kein Feiertag mehr und die Wiedereinführung ein bleibendes Anliegen der evangelischen Kirche. Eingeführt wurde der Feiertag in den 1950er Jahren, gleichsam auch als eine Art Anerkennung des Unrechts, das den Kirchen in der Vergangenheit bis ins 18. Jahrhundert angetan wurde. Vor allem die Gegenreformation war eine Zeit der Vertreibung und der Deportationen. Familien wurden zerrissen, Eltern deportiert, Kinder sollten in einem anderen Glauben erzogen werden.
Karfreitag als Feiertag für alle
Auch die neue Bischöfin Cornelia Richter, die am 8. November ins Amt eingeführt wird, habe das Thema ganz klar auf ihre Agenda gesetzt, sagte Simmer. "Das Thema ist also nicht erledigt, und ich hoffe, dass da wieder Bewegung hineinkommt. Aber eines ist für uns auch klar: Wenn der Karfreitag wieder ein Feiertag werden soll, dann kann das natürlich nur ein Feiertag für alle sein", unterstrich der niederösterreichische Superintendent das gemeinsame Interesse von Katholiken und Evangelischen.
Simmer sprach auch über Strategien der Kirche, mehr Menschen wieder für religiöse Werte zu sensibilisieren. "Unsere Botschaft ist nach wie vor wichtig, aber sie erreicht die Menschen oft nicht mehr." In manchen Gebieten in Niederösterreich würde eine kritische Grenze erreicht werden, weil es schwierig sei, Einzelpersonen zu erreichen, die in manchen Ortschaften als einzige evangelische Person lebten. Die Pfarrgemeinden seien klein, aber das Gemeindegebiet groß. "Da stellt sich die Frage: Wo kann hier noch Gemeinschaft und Begegnung stattfinden?" Im ganzen Waldviertel etwa - zur Zeit der Reformation zu 90 Prozent evangelisch - gebe es nur noch zwei Pfarrgemeinden mit jeweils 500 Mitgliedern.
Zum Teil gebe es familiär bedingt mehr Bezug zur katholischen Kirche vor Ort als zur evangelischen Kirche - "das ist etwas, das spezifisch für manche Teile Niederösterreichs zutrifft", so Simmer. Da Religion davon lebe, dass Eltern ihren Glauben an ihre Kinder weitergeben, werde nun versucht, verstärkt mit Familien zu arbeiten. Zudem müsse der Zugang zeitgemäßer und zielgruppenorientierter werden, denn "wer mit kirchlicher Symbolik nicht aufgewachsen ist, für den sind Rituale oder Symbole eben fremd".
Neue Generationen - neue Ideen
Bei nur mehr rund 240.000 evangelischen Mitgliedern österreichweit würde die evangelische Kirche tatsächlich eine kritische Grenze erreichen, und in manchen Gegenden werde das evangelische Leben weiter zurückgehen. Das müsse man realistisch sagen, so Simmer. Vor kurzem wurde die Versöhnungskirche in Heidenreichstein verkauft. Das habe sowohl wirtschaftliche als auch demografische Gründe gehabt, erläuterte Simmer. Die Erhaltung solcher Gebäude koste viel Geld und binde enorme Kräfte, finanziell wie personell. Es sei für ihn wichtiger, in Menschen zu investieren.
Simmer, der seit rund einem Jahr im Amt ist, steht der Zukunft trotz aller Schwierigkeiten dennoch hoffnungsvoll entgegen: "Es steht auch ein Generationenwechsel der Pfarrpersonen an und ich denke schon, dass mit der neuen Generation von Pfarrerinnen und Pfarrern auch neue Ideen und eine neue Energie kommt."
Quelle: kathpress