
Uni Wien: Positive Zwischenbilanz nach einem Jahr Islamische Studien
Vor einem Jahr ist das Institut für Islamisch-Theologische Studien ein Teil der Wiener Katholisch-Theologischen Fakultät (KTF) geworden. Jetzt hat der dort lehrende islamische Theologe Prof. Tugrul Kurt eine positive Zwischenbilanz gezogen. "Was auf dem Papier wie ein administrativer Schritt erscheint, hat sich in der Praxis als ein hochdifferenziertes Experiment theologischer Pluralität erwiesen", hält Kurt in einem am Montag auf communio.de veröffentlichten Beitrag dazu fest.
Dass ein solcher Prozess institutionell, personell und geistig möglich wurde, sei alles andere als selbstverständlich, schreibt der Professor für Islamische Theologie. "Er erfordert eine neue Haltung zur Differenz: keine vorschnelle Einigung, keine harmonisierende Flucht in 'das Gemeinsame', sondern die Bereitschaft, Differenz, als Herausforderung, als Zumutung und auch als Lernort, theologisch ernst zu nehmen." Im interreligiösen Raum bedeute dies, das Eigene im Angesicht des "Anderen" neu zu denken - nicht durch Vereinnahmung, sondern durch wechselseitige Fragwürdigkeit.
"In dieser Spannung, in der sich Eigenes und Fremdes nicht auflösen, sondern gegenseitig herausfordern, gewinnt Auslegung an Tiefe", führt Kurt weiter aus und schreibt: "Theologische Rede bleibt hier nicht bei der Beschreibung von Differenz stehen, sondern öffnet sich einem Moment des Uneinholbaren." Bei der erfolgten Angliederung gehe es nicht nur um eine organisatorische Maßnahme. So gebe es auch religionsübergreifende Lehrangebote bei denen erlebbar werde, "dass Differenz zwischen den Offenbarungslogiken nicht nivelliert, sondern durchdrungen werden kann: durch eine Haltung, die sich ihrer eigenen Voraussetzungen bewusst ist und die Differenz nicht als Defizit, sondern als geistige Ressource versteht."
Gesellschaftlich bedeutsam
Theologie ermögliche an einem Ort wie Wien eine Form der Auseinandersetzung mit Differenz, die nicht nur akademisch, sondern auch gesellschaftlich bedeutsam sei: "Denn das Miteinander religiöser Weltzugänge, wie es in Wien institutionell gelebt wird, steht in scharfem Kontrast zu den Polarisierungen unserer Zeit: Rechtspopulismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, digitale Radikalisierung und verschwörungsideologische Narrative greifen dort um sich, wo Differenz nicht als Zumutung und Möglichkeit verstanden wird, sondern als Störfaktor. Theologische Institutionen, die der Differenz nicht ausweichen, sondern sie austragen, leisten hier einen Beitrag - nicht durch Anpassung, sondern durch das Angebot geistiger Orientierung in einer zersplitterten Welt", hält Kurt fest.
Was sich an der Wiener Theologischen Fakultät entwickle, sei "kein fertiges Modell", hält Kurt fest und resümiert: "Es ist eine offene Bewegung - getragen vom Versuch, Pluralität nicht als Belastung, sondern als geistige Möglichkeit zu verstehen. Weil man verschieden glauben kann, ohne sich zu verlieren. Weil man streiten kann, ohne sich zu entzweien. Und weil man Institutionen bauen kann - nicht als Orte der Macht, sondern als Räume gemeinsamer Verantwortung."
Bereits beim traditionellen "Dies facultatis" am 15. Oktober war das neue Miteinander verschiedener Religionen im Wissenschaftsbetrieb Thema. Die Vizerektorin der Uni Wien, Prof. Christa Schnabl, bezeichnete die organisatorische Angliederung als Erfolgsgeschichte, die innerhalb eines Jahres und entgegen nicht weniger kritischen Stimmen gelungen sei. Die Kooperation wäre nicht nur in Studium, Forschung und Lehre fruchtbar, sondern man hoffe damit auch, den Religionsdialog zu stärken, so Schnabl damals.
Für die Wiener Katholisch-Theologische Fakultät war die Angliederung der Islamisch-Theologische Studien keine vollkommen neue Entwicklung. Bereits seit längerer Zeit sind die Religionswissenschaft und die Orthodoxe Religionspädagogik - neben den Studiengängen Katholische Theologie bzw. Religionspädagogik - Teil der Fakultät. (Infos: https://ktf.univie.ac.at)
Quelle: kathpress